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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum
Autoren: Horst Bosetzky
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Exstadtrat und bekannter SP D -Politiker.
    Man begrüßte sich mit großem Hallo. Wiederschein wusste, wie wichtig solche Multiplikatoren waren, und suchte ihnen das Gefühl zu vermitteln, sie als Persönlichkeiten wie als Freunde ungemein zu schätzen, zu mögen und zu lieben. So etwas gehörte zum Geschäft, und alle durchschauten diese Show, ließen sich aber gerne täuschen. Vielleicht steckte ja doch mehr dahinter …
    Wiederschein eilte ins Haus, um Denise zuzurufen, sie möge sich beeilen, denn die Herren seien am Verdursten. »Das Übliche!« Dann setzte er sich zu ihnen, um ihnen zuzuhören. Sie brauchten stets ihr Publikum.
    Orth freute sich, dass in London der größte Deal der letzten Jahre zustande gekommen war: die Fusion der Chrysler Corporation mit der Daimler Benz AG .
    »Das treibt ja auch deine Aktien in die Höhe«, sagte Quaas. »Ich hoffe, du hast selbst keine gekauft, denn bei Insidergeschäften verstehen die Staatsanwälte keinen Spaß.«
    »Seit wann gibt es bei Einmannbetrieben auch Aktien?«, fragte Woytasch.
    »Na, hör mal!«, protestierte Orth. »Ich habe schließlich 21 Arbeiter und Angestellte.«
    »Mehr Mitglieder wird die SPD in ein paar Jahren auch nicht mehr haben«, fügte Mietzel hinzu.
    Quaas rätselte, wie viele seiner Studentinnen morgen in der Vorlesung fehlen würden, weil in Freiburg im Breisgau unter dem Motto ›Lesben und Lesben lassen‹ das Lesben-Frühlingstreffen stattfand.
    Woytasch verzog das Gesicht. »Hör auf damit: Meine Frau ist gerade mit ihrer besten Freundin für ein paar Wellnesstage nach Bad Saarow gefahren, und ich warte jeden Augenblick auf einen Anruf, dass sie sich von mir trennen und zu Sarah ziehen will …«
    In diesem Moment klingelte das Telefon, und der Jubel war groß. Quaas rief, er solle freudig zustimmen und dann mit ihm zusammen alt werden.
    »Es war nur Müntefering«, sagte Woytasch. »Ob ich nicht Minister werden wolle.«
    »Ja, für die Ministergärten an der Wilhelmstraße«, spottete Orth. »Wo du so gerne Rasen mähst.«
    Mietzel erzählte vom dritten Europäischen Jugendchor-Festival in Basel.
    »Da muss ein alter Päderast wie du ja hin«, lästerte Woytasch.
    »Mensch, mein Sohn singt da mit.«
    »So ’n schönes Alibi hat nicht jeder«, fügte Wiederschein hinzu.
    Woytasch selbst ließ sich lang und breit darüber aus, wie einmalig in der deutschen Fußballgeschichte das Jahr 1998 doch sei.
    »Wird der 1. FC Kaiserslautern deutscher Meister – als Aufsteiger!«
    »Und wann sehen wir dich als Bundeskanzler?«, fragte Quaas.
    Alles lachte schallend. Wiederschein liebte fröhlich-spöttische Runden wie diese. Seine Stimmung schlug aber schnell wieder um, denn vorn am Zaun stand Axel Siebenhaar, der Polizeibeamte vor Ort, und klingelte Sturm.
    Siebenhaar war der Meinung, dass das ›à la world-carte‹ mit seinem Multikulti-Image nicht in diese Gegend passte, und gab sich alle Mühe, Wiederschein aus Frohnau zu vergraulen. Man konnte schon sagen, dass er Rainer Wiederschein hasste, weil der ihm zu sehr nach Penner und Anarchisten roch. Dass der Wirt des ›à la world-carte‹ einmal in diesen alternativen Welten gelebt hatte, wusste er aus der Zeitung, und er behauptete, so etwas würde nie aus einem Menschen herausgehen und er könne es noch immer riechen. Kurzum, er hielt Wiederschein für einen Kriminellen, irgendwie vernetzt mit der italienischen oder russischen Mafia, und sein Restaurant für einen Ort, schmutziges Geld zu waschen. »Wiederschein«, war seine stehende Wendung. »Den kenn ich, der muss ans Messer.«
    Wiederschein hatte davon gehört, fürchtete Axel Siebenhaar aber nicht eigentlich, dazu hatte der Mann einen zu niedrigen IQ , er war nur einfach lästig. Und wieder nervte er ihn mit einer Bagatelle.
    »Ihre Hausnummer ist nicht beleuchtet.«
    »Meine Lichtreklame ist doch hell genug«, wandte Wiederschein ein.
    »Aber die wird um 24 Uhr ausgeschaltet, und dann ist Ihre Hausnummer nicht mehr zu erkennen. Zum Beispiel für die Feuerwehr.«
    Wiederschein lachte. »Wenn’s brennt, ist es eh hell genug.«
    »Das wird Sie einiges an Ordnungsgeld kosten«, sagte Siebenhaar.
    Wiederschein winkte ab. »Macht nichts. Seit ich keine Polizisten mehr besteche, habe ich genug Kleingeld in der Portokasse.«
    »… der muss ans Messer«, murmelte Siebenhaar.

     
    *

     
    Angela Wiederschein hatte zehn Minuten vor dem Schultor gestanden und auf Kevin gewartet. Endlich schrillte die Klingel, und kurz danach kamen die ersten
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