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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum
Autoren: Horst Bosetzky
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und hatte einen ziemlich schlechten Ruf, was ihm natürlich gefiel. Sie wohnte oben in Frohnau, und sie verabredeten sich für den nächsten Tag zu einem kleinen Spaziergang. Wiederschein war bis dahin noch nie in Frohnau gewesen, es fiel bei ihm in die Kategorie langweilig hoch drei. Als er aber mit Äinschie im Arm vor der halb verfallenen Villa an der S-Bahn stand, erging es ihm wie zu Zeiten Moses’ oder Paulus’, und er hörte eine Stimme, die ihm sagte, was er zu tun hatte: Hier erfülle dir deinen Traum, eröffne ein Restaurant und biete den Leuten all die Speisen an, die du auf deiner Reise um die Welt gekocht und gekostet hast.
    So war die Idee zum Restaurant ›à la world-carte‹ entstanden. Das Startkapital hatte ihm Siegfried Schulz, ein Cousin seines Vaters, zu einem vergleichsweise geringen Zinssatz geliehen.
    Als Wiederschein in seiner Straße angekommen war, ließ ihn das Aufheulen einer Kreissäge zusammenfahren. Auf einem der Nachbargrundstücke wurde gebaut, und die Arbeiter waren gerade dabei, die Bretter für die Verschalung des Kellergeschosses zurechtzusägen. Die Bodenplatte war schon gegossen, nun ging es langsam in die Höhe. Der Bauherr stieg gerade aus seinem BMW , um den Leuten auf die Finger zu sehen. Ein bisschen sah er aus wie der Chef der Deutschen Bank, war aber nur Volkswirtschaftsprofessor, wenn auch einer, der auf dem Sprung war, mit dem Titel ›Wirtschaftsweiser‹ geadelt zu werden. Noch war der Name Bernhard Schönblick nicht in aller Munde, aber lange konnte es nicht mehr dauern, bis die Fernsehteams anrückten und er das in die Mikrofone sprach, was ihm seine Hintermänner zugeflüstert hatten. Wiederschein hielt den Mann, so wörtlich, für ›ein gekauftes Arschloch, das auch nicht mehr weiß als ein Student im ersten Semester‹, begegnete aber Schönblick mit ausgesuchter Höflichkeit, denn wenn der mit seiner Familie und seinen vielen Freunden auch nur zweimal im Monat ins ›à la world-carte‹ kam, dann trieb das den Umsatz steil in die Höhe. Man kam schnell ins Gespräch.
    »Sie haben da einen wunderschönen Birnbaum in Ihrem Garten«, sagte Schönblick.
    Wiederschein schmunzelte. »Tut mir leid, Herr Professor, aber der Birn- ist in Wahrheit ein Kirschbaum.«
    »Schade«, sagte Schönblick. »Sonst hätten Sie Ihr Restaurant ›Unterm Birnbaum‹ nennen können und damit alle Berliner Fontane-Fans angelockt.«
    Wiederschein sah da keinerlei Zusammenhang. »Wieso denn das?«
    »Na haben Sie denn nie Fontanes Kriminalroman gelesen: ›Unterm Birnbaum‹?«
    »Nee«, bekannte Wiederschein. »Ich kenne nur die Birnen des Herrn von Ribbeck zu Ribbeck im Havelland.«
      »Ach, diese Bildungslücken!«, stöhnte Schönblick. »Da fällt mir wieder ein, dass ich um eins Prüfungsausschuss habe.«
    »Hoffentlich verwechselt da keiner Äpfel mit Birnen«, sagte Wiederschein. »Oder Birnen mit Kirschen.«
    Schönblick verabschiedete sich, um seinem Polier noch ein paar inquisitorische Fragen zu stellen, hätte aber auch sonst den Dialog nicht fortsetzen können, weil in diesem Augenblick Pfarrer Eckel dicht vor Wiederschein bremste und bei diesem gewagten Manöver fast vom Rad gefallen wäre.
    Wiederschein lachte. »Sie hätten bei Don Camillo Rad fahren lernen sollen: Der konnte das besser, trotz seiner Soutane.«
    Pfarrer Eckel hatte inzwischen seine Balance wiedergefunden und sah sich suchend um. »Ist meine Frau bei Ihnen?«
    »Ihre Frau isst leider selten bei mir«, antwortete Wiederschein.
    Pfarrer Eckel verzog das Gesicht. »So viel verdient ein Kirchenmann nun leider nicht.«
    »Trotzdem betet meine Frau Sie an.«
    »Sie soll nicht mich anbeten, sondern … Wo steckt sie eigentlich?«
    Wiederschein zuckte mit den Schultern. »Äinschie? Keine Ahnung. Wahrscheinlich wieder auf dem Friedhof. Aber wenn’s ihr hilft …«
    Pfarrer Eckel schwieg einen Augenblick und kam ihm dann mit Hiob: »Siehe, selig ist der Mensch, den Gott straft; darum verweigere dich der Züchtigung des Allmächtigen nicht. Denn er verletzt und verbindet; er zerschlägt, und seine Hand heilt.«
    Wiederschein wusste nichts damit anzufangen. Er hielt Eckel für einen geilen Bock, der sich nur so intensiv um Angela kümmerte, um sie ins Bett zu bekommen. Aber wenigstens war er kein Langweiler und machte außerdem viel Reklame für das ›à la world-carte‹, auch wenn er sich selbst nur selten im Gästeraum niederließ.
    Pfarrer Eckel schwang sich wieder aufs Rad und entschwand in Richtung
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