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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum
Autoren: Horst Bosetzky
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sind immens. Und drittens, das ist immer das entscheidende Erlebnis, werden Sie bemerken, dass die Strafgefangenen ganz normale Menschen sind, zum Teil sogar außerordentlich sympathische Zeitgenossen. Da gibt es Mörder, meine Damen, die Sie gern zum Freund haben würden, so nett sind sie – und so ungemein männlich.‹
    Mannhardt, zu Hause immer unter Beschuss und wegen seiner kommunikationstechnischen Fehlleistungen vielfach getadelt, genoss den Beifall der Menge. Auch hier vor der JVA wurde geklatscht, als er um die Ecke bog.
    »Tut mir leid, meine Damen und Herren, dass ich ein paar Minuten zu spät komme, aber ich musste erst noch einen Amokläufer überwältigen.«
    »Womit denn?«
    »Mit meinem Mundgeruch«, antwortete Mannhardt. »Ich hatte mir extra zwei Tage lang nicht die Zähne geputzt. Ich musste ihn nur anhauchen, schon hat er aufgegeben.«
    »Dann schreiben wir also die nächste Klausur über den Mundgeruch als Waffe?«
    »So ist es.«
    Die gute Laune verging ihnen aber schnell, als man Mannhardt und seine Gruppe an der Pforte ebenso durchsuchte und mit der Sonde abtastete wie jeden x-beliebigen Besucher. Auch wurden ihnen alle Handys abgenommen und eingeschlossen.
    »Gott, ich bin EPHK a. D., und das hier sind alles werdende Kriminalbeamte!«, rief Mannhardt.
    »Tut mir leid, wir haben unsere Vorschriften.«
    »Schon gut«, sagte Mannhardt. »Dann kaufen wir uns unser Rauschgift nicht hier bei Ihnen, sondern irgendwo draußen im Park. So wäre es aber bequemer.«
    Nachdem sie alle ihre Ausweise abgegeben und dafür Plastikkarten in Empfang genommen hatten, kam der Vollzugsbeamte, der für Führungen zuständig war, und begann, sie durchzuschließen. Es ging durch endlose Flure und über diverse Höfe, und immer wieder gab es Türen, die auf- und wieder zuzuschließen waren.
    »Die Damen halten sich nachher besser die Ohren zu«, sagte Mannhardt. »Und alle passen auf, wenn Spritzen auf sie zugeflogen kommen, die mit Blut von HI V -Positiven gefüllt sind.«
    Immer wieder kam es vor, dass empfindsame Gemüter nahe am Kollabieren waren, wenn sie dies hörten.
    Natürlich gab es Gefangene, die von den Galerien spuckten, brennende Kippen durch die Fangnetze warfen und sich an den Studentinnen aufgeilten, indem sie drastisch ihre sexuellen Wünsche kundtaten, aber die meisten grinsten nur, wenn sie die junge Kripo anrücken sahen.
    Bei jedem Besuch in Tegel traf Mannhardt auf Langstrafer, die er durch seinen persönlichen Einsatz hinter Gitter gebracht hatte. Man gab sich die Hand und plauderte miteinander, als würde man durch eine alte Freundschaft verbunden sein. Da war keiner, der ihn hasste und ihm die Schuld daran gab, dass er lebenslänglich bekommen hatte.
    So erschrak Mannhardt nicht im Geringsten, als ein eher unauffälliger Knacki auf ihn zukam und ihn am Jackett festhielt.
    »Kann ich Sie mal einen Augenblick sprechen …?«
    »Ja …« Mannhardt kam der Mann irgendwie bekannt vor, er hätte aber schwören können, keinen seiner speziellen Klienten vor sich zu haben.
    »Ich bin der Karsten Klütz.«
    »Ach ja …« Mannhardt hatte die Daten schnell parat: Der Fußballer, der den Mann seiner Geliebten umgebracht hatte. »Aber ich war doch nicht der, der Sie hierher …?«
    »Nein, das war Ihr Kollege Schneeganß.«
    »Oh …« Mannhardt mochte Schneeganß nicht besonders. Im inneren Monolog war er im Ordner Arschloch abgespeichert.
    Klütz faltete die Hände wie zum Gebet und flehte Mannhardt an. »Bitte, Herr Kommissar, Sie haben doch jetzt Zeit genug: Gehen Sie meinen Fall noch einmal durch. Ich schwöre Ihnen bei Gott und bei allem, was mir heilig ist, dass ich den Mord damals nicht begangen habe. Ich habe alles aufgeschrieben, und stecke Ihnen meine Aufzeichnungen nachher schnell zu … Dann können Sie alles rekonstruieren. Es war ein riesiger Irrtum damals. Bitte, retten Sie mich!«
    Mannhardt nickte zwar, verstand das Ganze aber nicht, denn er konnte sich deutlich daran erinnern, dass Klütz damals vor Gericht ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte.
    »Bitte weitergehen!« Der Vollzugsbeamte, der sie durch die Teilanstalten, die Werkstätten und die Küche führte, schien es entweder eilig zu haben oder zu fürchten, gegen irgendwelche Vorschriften zu verstoßen.
    Mannhardt wagte dennoch eine Frage. »Wer ist denn der zuständige Sozialarbeiter hier?«
    »Frau Minder-Cerkez.«
    Wie der Mann den Namen aussprach, verbarg er kaum, wie sehr er Frauen hasste, die Doppelnamen im Ausweis
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