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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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überrascht an. Dann legte sie den Arm um ihn und drückte ihn kurz an sich.
    „Zum Beispiel sehr schöne blonde Haare und ein eigenes Blumenbeet. Lass uns runter gehen. Es gibt Essen.“
    „Kartoffelsalat“, sagte Sam und dachte daran, wie das Wort unter Wasser klang. Sie gingen nach unten und Sam wurde das Gefühl nicht los, dass George ihm eine andere Antwort gegeben hätte.
    George sprach sehr lange mit Rita und kam erst viel später zum Essen. Er setzte sich und schien dann zu merken, dass alle ihn erwartungsvoll ansahen.
    „Rita holt Neill morgen ab“, sagte George und Laine konnte sich ein Aufatmen nicht verkneifen.
    „Das ist sicher das Beste“, sagte Vivian. Sam schwieg, aber er war froh, dass Neill bald nicht mehr da sein würde. Seine einzige Sorge galt jetzt noch dem Geschenk, das er nicht hatte. Morgen musste er diese Tatsache beichten und obwohl George gesagt hatte, dass er nichts Besonderes erwartete, fühlte Sam eine latente Traurigkeit. Ohne Neill wäre er wahrscheinlich nie bis zum Meer gekommen, aber derselbe Junge, der ihn dorthin gebracht hatte, war auch schuld am Scheitern der ganzen Aktion. Wenigstens war George nicht böse auf ihn wegen seines Ausflugs. Sam sah, wie George sich Kartoffelsalat auf seinen Teller lud und seufzte. Er hätte ihm seine Liebe, seinen guten Willen und seine Eignung als Praktikant und Testsohn so gerne durch das Geschenk bewiesen.
     
     
    An diesem Abend ließ sich Sam mit schwerem Herzen in sein Wasserbecken sinken. Die Verwandlung setzte ein und er fühlte die Schmerzen sogar stärker als sonst. Da er sich nie darüber beklagte und es einfach ertrug, schienen die Cunnings vergessen zu haben, was er jeden Tag aushalten musste, um mit ihnen zu leben. Und jetzt hatte er sogar die Krönung seines Praktikums, die große Chance, George etwas zu beweisen, verpasst. Sam spürte Tränen in seinen Augen. Sehen konnte man im Wasser nichts davon, aber erspürte sie, da sie heiß und brennend aus seinen Augen schwammen. Er fühlte sich einsam und unverstanden. Neill lag oben in seinem Bett und sie kümmerten sich um ihn, weil er ein trauriger, böser Junge war. Er selbst war in diesem Moment ein sehr trauriger und einsamer Junge. Sam verwandelte sich weinend und glaubte, die ganze Nacht keinen Schlaf finden zu können, solche Angst hatte er vor dem morgigen Tag. George würde ihn nachsichtig behandeln, aber innerlich doch ein wenig enttäuscht über sein Versagen sein. Und das war das Schlimmste. Seine Füße schlossen sich zusammen und es bildete sich eine neue Haut, während die Flosse wuchs und seinem Körper gnadenlos die nötige Energie entzog. Es tat weh, und Sam stöhnte unter Wasser vor Schmerzen. Im Meer, als er sich überglücklich und wild in die Wellen geworfen hatte, war es so einfach gewesen. So schön. Es konnte sein, dass er dorthin zurückkehren musste, wenn er das Praktikum nicht bestand. Vielleicht war es sogar besser für alle, wenn er auszog. Schließlich war er neben allem anderen auch ein anstrengender Junge. Und das einzige Geschenk, das er George noch machen konnte, war, dass er ihn an seinem Geburtstag in Ruhe ließ, wie Neill es verlangt hatte. Bei diesem Gedanken schluchzte Sam und dann weinte er bitterlich. Er konnte sich nicht beherrschen und da niemand ihn sah, gestattete er sich diese Schwäche. Er wollte keine Belastung sein. Aber er war eine. Er wollte ein Sohn sein. Aber er war keiner.
     
     
    Eine warme Hand legte sich auf seinen Oberarm. George. Sam hätte ihn unter tausenden Menschen erkannt, wenn er ihn berührte. George war gekennzeichnet. Das konnte er den Menschen nicht erklären. Seine Erkennungsenergie war durch Georges Handflächen geströmt und deshalb erschrak er nicht, als er die Hand auf sich spürte. George wusste nichts davon und es gab noch andere Dinge, von denen er keine Ahnung hatte. Als sein Sohn könnte Sam ihm gewisse Dinge erzählen, aber das war nun vorbei.
    Sam kam an die Oberfläche und hoffte, dass man durch das viele Wasser seine Tränen nicht sah.
    „Warum weinst du?“, fragte George, der sich auf den kleinen Hocker neben dem Becken gesetzt hatte. An seinem Tonfall merkte Sam bereits, dass George sich in Wahrheit nicht über sein Weinen wunderte. Und er hatte es sofort bemerkt.
    „Weil es wehtut“, schluchzte Sam.
    „Was tut weh?“
    „Alles.“
    „Tut dir die Verwandlung mehr weh als sonst?“, fragte George.
    „Ja, das auch.“ Die Tränen liefen wieder.
    „Wir sollten mal mit Jerry darüber
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