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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Neill sicher verstaut hatte, konnte er das Geburtstagsgeschenk in Angriff nehmen.
    Ein menschliche Stimme ließ ihn aufsehen und Sam sirrte vor Überraschung, als er Vivian und George auf den Felsen stehend erblickte. Sie winkten ihm mit beiden Armen und Sam nahm Kurs auf ihre Position. Neill stöhnte ab und zu, aber meistens hielt er den Mund, wofür Sam ihm dankbar war. Er hatte es schwer als Praktikant, aber er fand, dass er diese Aufgabe recht gut gemeistert hatte. Sam steuerte rückwärts schwimmend eine sandige, winzige Bucht an und sah George von Felsen zu Felsen springen. Vivian sprach in ein Handy. Sam glitt mit der nächsten Welle auf den Sand und da war George schon neben ihm und zog Neill aus seinen Armen. Er warf Sam einen fast verzweifelten Blick zu.
    George legte seine Finger an Neills Hals und hielt das Ohr direkt an seinen Mund. Und dann weinte er auf einmal.
    George weinte, und Sam fühlte einen Schrecken, der ihn ganz ausfüllte. Er konnte die Situation nicht einordnen. Bestimmt hatte es etwas mit menschlichen Vorgängen zu tun, die er nicht verstand. Vivian ging neben Neill in die Knie.
    „Liebling“, sagte sie sanft und legte George ihre Hand auf die Schulter.
    „Er lebt“, flüsterte George. „Er lebt noch, Gott sei Dank.“
    Sam betrachtete kurz die Szene, dann tat er es Vivian nach. Er stützte sich mit den Händen im Sand ab und legte seine Schwanzflosse tröstend auf Georges Rücken, sodass er ihn fast vollständig bedeckte.
    „Da kommt Jerry“, sagte Vivian. Sie stand auf und winkte den Arzt zu sich heran, aber Jerry hatte die kleine Gruppe schon ausgemacht. George sah Sam an, der ihm beruhigend die Flosse in den Rücken drückte. Er war froh, dass George jetzt nicht mehr so traurig aussah.
    „Neill ist kein guter Schwimmer“, teilte Sam ihm mit. „Am besten bleibt er an Land.“
    „Ja, das wäre am besten“, sagte George und Sam versuchte den Blick zu deuten. Ob George zufrieden mit ihm war?
    „Zählt das für mein Praktikum?“, fragte Sam vorsichtig.
    George lächelte und Sam fiel ein Stein vom Herzen.
    „Es zählt zehnfach.“
    Dann war Jerry bei ihnen und untersuchte Neill, der langsam zu sich kam.
    „Er hat einen Schock und wahrscheinlich viel Wasser geschluckt. Ansonsten scheint er unverletzt zu sein.“
    Neill wimmerte und bedeckte sein Gesicht mit dem Arm.
    „Wir bringen ihn nach Hause.“ George wandte sich an Sam. „Du musst dich bereit machen. Ich hole dich gleich hier ab.“ Er zeigte auf Neill und wedelte mit der Hand. Das war das Zeichen, dass er verschwinden sollte, bevor Neill ihn sah. Sam rollte sich ins Wasser zurück und tauchte ab. Das Geburtstagsgeschenk war jetzt dahin. Selbst wenn er etwas fand, würde George es sehen und er hatte nur noch wenig Zeit, weil von ihm erwartet wurde, dass er mit Beinen am Strand auftauchte. Sam schaute kurz aus den Wellen und sah, wie die Erwachsenen Neill beim Aufstehen halfen.
    Enttäuscht ließ Sam sich auf den Meeresgrund sinken.
     
     

     
     
    Neill lag in seinem Bett und schlief. George saß an seiner Bettkante und Sam näherte sich ihm leise. Jerry hatte Neill ein Medikament gegeben und deshalb würde er jetzt sehr lange schlafen. Das hatte Vivian ihm erklärt. Sam stellte sich neben George und sah auf den blassen Jungen herab.
    „Du musst mir später erzählen, was ihr da eigentlich gemacht habt“, sagte George leise.
    „Das geht nicht. Es ist ein Geheimnis“, antwortete Sam.
    „Ich denke, ich kenne das Geheimnis schon. Du wolltest etwas für meinen Geburtstag holen.“
    Sam seufzte. Warum wusste George immer alles? Dass Neill all diese bösen Dinge gesagt hatte, das wusste George aber noch nicht.
    „Ist Neill ein böser Junge?“, fragte Sam.
    „Ich glaube, dass er ein trauriger Junge ist. Viele böse Jungen sind in Wirklichkeit traurige Jungen. Sie tun diese bösen Dinge, weil sie denken, dass es ihnen dann besser geht.“
    „Hat Neill die Blumen getötet, weil er dachte, es geht ihm dann besser?“ Sam konnte sich das nur schwer vorstellen.
    „Das hat er gemacht, weil er dir etwas antun wollte. Weil er traurig war, dass du etwas hast, was er nicht hat.“
    „Was denn?“, fragte Sam.
    „George?“ Vivian steckte den Kopf zur Tür herein.
    „Rita am Telefon.“
    Sofort erhob sich George und ging schnell und leise zur Tür. Sam sah ihm nach. Zu gerne hätte er noch die Antwort gehört, aber das konnte er auch Vivian fragen.
    „Vivian, was hab ich, was Neill nicht hat?“
    Sie sah ihn ein wenig
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