Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
einem Netz aus Falten und unter schwarzsilbernen Brauen. Sein Haar, einst schwarz gewesen, zierten breite silberne Bahnen. Er trug es kurz geschnitten, aber in seiner Jugend hatte er es nackenlang getragen. Im rechten Ohrläppchen steckte eine kleine goldene Münze, die das Zeichen des Shallad trug. Breite Schultern, beherrschte Bewegungen, ein kräftiger Schwertarm und lange Beine, die in fein gearbeiteten Reitstiefeln steckten, ließen ihn als Anführer der kleinen Karawane erscheinen.
    Seine Augen lächelten ebenso selten wie sein Mund. Falls er sich eine solche Großzügigkeit gestattete, ließ Algajar überraschend schöne, schneeweiße Zähne erkennen. Aber sein Gesicht trug stets einen abweisenden, herrischen und grausamen Ausdruck. Jetzt, nach einigen Tagen des Rittes, bedeckten Bartstoppeln sein Gesicht, sonst war es glatt und mit duftendem Öl aus den Samen der Arven eingerieben.
    Er hob sich im Sattel seines Rennorhakos und sah sich nach dem Zelt um.
    Prinzessin Nohji war aufgewacht. Sie schlug einen Teil der Zeltbahn zurück und rief, als sie Algajars Blick bemerkte: »Wann werde ich wieder festen Boden unter den Füßen haben, Algajar?«
    Algajar stieß mit tiefer Stimme ein kurzes, heiseres Lachen aus und entgegnete, scheinbar gutgelaunt: »Wenn nichts dazwischenkommt, dort vorn am Pass. Man nennt diese überaus prächtige Oase die Drei Schwärenden Finger.«
    »Was sollte dazwischenkommen?« begehrte sie zu wissen. Sie zählte fünfzehn Lenze und war eine der vielen Töchter des Shallad Hadamur.
    Für einen Moment glitt ein Schatten über das Gesicht des Karawanenführers. »Im Grenzland jagen die Zufälle und die Zwischenfälle einander, Prinzessin. Vielleicht bricht sich dein Zelt-Diromo den Lauf, wer weiß?«
    »Wir wollen es nicht hoffen«, rief sie mit heller Stimme durch das harte Lachen der anderen Vogelreiter. »Warum nennt man die Oase mit einem so grässlichen Namen?«
    »Du wirst es sehen, wenn wir weit genug herangekommen sind«, war die Antwort. Nohji kannte Algajar kaum, aber sie wusste, dass er einer der Männer war, auf deren Rat ihr Vater hörte. Zweifellos war er einer der engsten Vertrauten des Shallad. Jedesmal, wenn er sie mit seinen durchbohrenden Blicken musterte, fühlte sich Nohji nackt, schutzlos und voll von unergründlicher Furcht. Aber sie war die Tochter des Shallad! Sie hatte Mut und Liebreiz gleichermaßen auszustrahlen!
    »Wann sind wir an unserem Ziel?«
    »Das hängt von vielen Umständen ab«, sagte Algajar, der sein Orhako hatte zurückfallen lassen. Die Malerei auf dem großen Vogelschnabel war an einigen Stellen von Silberstaub verziert.
    Hadam, die Residenz des Shallad, war das Ziel. Für Prinzessin Nohji lag es in unerreichbarer Ferne.
    »Rechnest du mit unerfreulichen Zwischenfällen?« rief sie wieder.
    »Nicht direkt. Alles scheint friedlich!« gab der Anführer zurück. »Außerdem befinden sich in geringem Abstand Vogelreiter, die dem Befehl deines Vaters gehorchen. Wir sind bisher nicht überfallen worden, und bis Hadam wird die Reise auch ebenso eintönig verlaufen wie bis heute morgen.«
    Auf dem Zelt und auf den Schilden der Reiter prunkte das Wappen des Shallad, ein roter Kreis mit rotem Strahlenkranz. Der Schwertmond darinnen kennzeichnete die Reiter als Angehörige aus dem Stammland Shalladad.
    Einem unbefangenen Zeugen, der die Sand aufwirbelnde Gruppe von Reitern an sich vorbeiziehen sah, würde aufgefallen sein, dass nur rund vierundzwanzig Reiter die Prinzessin schützten. Entweder konnte dies als Zeichen gedeutet werden, dass Prinzessin Nohji trotz ihrer mädchenhaften Schönheit von dem Shallad nicht sonderlich wertvoll eingeschätzt wurde, was ihm zuzutrauen wäre. Oder diese Karawane sollte hilflos erscheinen und einen Angriff provozieren. Jedermann wusste, dass das Grenzland hier zwischen den Bergen und Hügeln, Felsen und Flugsandlöchern mehr als gefährlich war. Nur Narren, Unerfahrene oder solche Reiter, die an Selbstüberschätzung litten, wagten sich allein in dieses Gebiet. Oder solche, die den Tod suchten – und auch von jenen gab es genügend im Land Hadamurs.
    »Hoffentlich behältst du recht, verwegener Algajar«, sagte die Prinzessin und ließ den Vorhang zurückfallen. Ihr Zelt war nicht sonderlich groß, aber durchaus bequem. Trotzdem hasste sie die ständigen Bewegungen des Tierkörpers.
    Jede Karawane nach Logghard war gefährdet. Auch ihre Gruppe, das ahnte sie, würde früher oder später angegriffen werden. Aber die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher