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Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond
Autoren: Hans Kneifel
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aufgeweckt und zu hektischer Betriebsamkeit angespornt. Diese Reise war für die meisten Angehörigen der Karawane nur der Versuch, die Entfernung zwischen zwei Städten so schnell und bequem wie möglich zu überbrücken.
    Die Pferde fraßen, soffen und wurden gestriegelt, dann legte man ihnen die Sättel auf und die Zaumzeuge an. Die fünf Diromen schüttelten sich kurz, als ihre gemieteten Treiber sie hochscheuchten. Dann erhoben sie sich auf ihre muskelbepackten Laufbeine. Die Tragegestelle schaukelten hin und her. Aus der Kehle des Todgeweihten entrang sich ein dumpfes, langgezogenes Stöhnen.
    Ein letztes Feuerzeichen schrieb lautlos seine Bahn in den grauen Himmel. Die Sterne waren verschwunden, aber noch hatte sich die Bläue des Himmels nicht ausgebreitet. Männer schleppten pralle Wasserschläuche und füllten den Inhalt in große, lederne Becher. Die Krieger gähnten und fluchten leise. Langsam gingen die Vorräte zu Ende – die Reise war schon fast zu lang gewesen. Aber da bisher keine Schwierigkeiten aufgetreten waren, gab es niemanden, der wirklich unzufrieden war.
    In Sarphand waren sie aufgebrochen. Fast eineinhalbmal hatte sich der Mond verändert. Bleicher Vollmond hatte heute das Licht der Sterne überstrahlt. Kurz nach Abmond waren sie alle aufgebrochen.
    Luxon spreizte die Finger, fuhr durch sein volles Haar und strich es in den Nacken. Er fröstelte zwischen den Decken und Fellen. Am späten Abend hatten Kalathee und er ihr gemeinsames Lager abseits der vier Feuer aufgeschlagen. Luxon gähnte, küsste den schlanken Nacken Kalathees und murmelte: »Es geht weiter, teuerste Freundin.«
    Einige Felsblöcke schirmten ihr Liebesnest gegen die anderen Teilnehmer der Karawane ab. Stimmengewirr und das Wiehern der Pferde schlugen an ihre Ohren.
    Auch Kalathee gähnte und flüsterte: »Ein neuer Tag im Sattel.«
    »Logghard ist nicht mehr fern«, antwortete Luxon. »Und nach alldem, was wir bisher erlebt haben, werden wir Logghard wohl lebend und unausgeplündert erreichen.«
    »Wenn dich nicht Mythor überholt, Liebster!« sagte sie leichthin. »Ich bin durstig und hungrig.«
    Luxon stand auf, hob seinen Kopf über den Stein und brüllte: »He, Samed! Bringe uns heißen Tee und etwas zu essen. Schnell! Wir haben es eilig.«
    Seit dem Augenblick, als er von Shakar erfahren hatte, wer er wirklich war, erfüllten ihn neue Kräfte und eine Zuversicht, die an Vermessenheit grenzte. Er wusste dies selbst und rechnete damit. Er, der rechtmäßige Sohn des ermordeten Shallad Rhiad – des Vorgängers dieses Verbrechers Hadamur –, war dem Versuch Hadamurs, ihn zu beseitigen, bis zum heutigen Tag entgangen. Hadamur musste gestürzt werden. Er, Luxon-Arruf, würde das Erbe übernehmen.
    Mythor!
    Erst jetzt, als ob Kalathees Worte auf Umwegen in seine Überlegungen zurückkehren würden, dachte er an Mythor, seinen Konkurrenten, seinen Fast-Freund, den einzigen Mann, den er als gleichwertig anerkannte. Er musste grinsen, wenn er daran dachte, wie er ihn abermals in die Falle hatte stolpern lassen. Andererseits, er tat ihm leid, denn sein Schicksal war ungewiss und sicherlich hart. Er befand sich auf einer Lichtfähre und auf dem Weg in den Süden, nach Logghard. Vielleicht trafen sie noch einmal zusammen. Aber sicherlich nicht während der letzten Etappe dieser Reise.
    »Zieh dich an, Geliebte«, sagte er fröhlich. »Zwar ist dein Körper makellos, aber du solltest ihn nicht überflüssigerweise den Blicken der Diromen-Treiber darbieten.«
    »Vermutlich hast du recht«, sagte sie und war angezogen, als Samed mit heißem Tee, getrocknetem Fleisch, Fladenbrot und gedörrten Früchten kam. Luxon tätschelte die Wange des dunkelhäutigen Jungen und sagte halblaut: »Wie geht es Shakar?«
    Aus Sarphand hatte Luxon den alten, entkräfteten Mann mitgenommen. Er hoffte, dass im Fall einer Auseinandersetzung Shakars Erzählung einen Beweis für seine wahre Herkunft geben würde.
    »So schlecht wie immer«, antwortete Samed. »Er hat viel getrunken. Die Nacht über träumte er schlecht und schrie immer.«
    »Viel getrunken? Etwa unseren Wein?« fragte Luxon mehr überrascht als wütend.
    »Nein. Wasser und kalten Tee.«
    »Dann bin ich beruhigt«, meinte Luxon. »Meine Getreuen? Sind sie fertig?«
    »Wenn die Sonne halb zu sehen ist«, versicherte Samed, »sitzen wir alle in den Sätteln. Bist du mir böse?«
    »Unsinn«, antwortete Luxon und hob den Becher an seine Lippen. »Ich frage nur aus Sorge um unsere
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