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Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond
Autoren: Hans Kneifel
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den Shallad anzusehen. Ihre Leiber dienten dazu, dass die wenigen Männer, die Hadamur in seine Nähe ließ, nicht die harten Stufen benützen sollten. Sie kletterten über die Schenkel und Rücken der Sklaven, bis sie in achtungsvoller Entfernung vor dem Shallad standen.
    Zwischen den Säulen kamen Sklavinnen hereingelaufen. Sie trugen große Schüsseln und offene Kästchen, in denen Süßigkeiten und Leckerbissen aus allen Teilen der Welt verborgen waren. Andere hielten parfümierte Tücher in den Händen, mit denen sie die Stirn und die Hängewangen des Shallad kühlten. Wieder andere trugen die Schmuckstücke, die man dem Shallad geschenkt hatte. Sie waren eine Art lebende Ausstellung.
    Donnernd schlossen sich im Rücken des dicken Mannes schwere Türen. Leise schoben sich Riegel in die Zuhaltungen. Überall tauchten neue Krieger auf, die Hände an den Waffen. Nichts würde diesen ausgesuchten Kriegern entgehen, und schon mancher, der eine unvorsichtige Bewegung gemacht hatte, musste sterbend einsehen, dass er sich besser nicht gerührt hätte.
    Zumindest an dieser Stelle war der prunkvolle Palast des Shallad Hadamur fertig. Aus der kleinen Stadt Andshara, die Hadamur nach sich selbst umbenannt hatte, war eine gigantische Baustelle geworden. Andshara-Hadam sollte so aussehen wie Logghard. Verteidigungseinrichtungen wuchsen ebenso wie das Mausoleum, die Prunkstraßen wurden von Tag zu Tag breiter und länger, und unablässig erfüllte Baulärm die Stadt. Es ging das Gerücht, dass Hadamur die Stadt Logghard bewusst vergessen wollte. Aus diesem Grund hielt er sich seit langen Jahren hier auf.
    »Fangt an!« sagte der Shallad mit seiner keuchenden Stimme.
    Sofort stürzten Sklavinnen auf ihn zu und wussten genau, was zu tun war. Man hatte sie gelehrt, auf ein Blinzeln der trägen, reptilienartigen Lider zu gehorchen.
    Ein Mädchen, dessen Kleidung aus nichts anderem als Schmuckbändern und Juwelen bestand, schob dem Shallad winzige Süßigkeiten zwischen die Lippen. Eine andere tupfte die dicken Schweißperlen von seiner Stirn. Sie benutzte ein blütenweißes Tuch dazu. Eine dritte goss aus einem silbernen Krug, dessen Außenseite mit Tauperlen beschlagen war, einen großen Schluck gesüßten Weines in einen Pokal. Das Gefäß stammte aus einem fernen Land; man munkelte, dass es südlich von Logghard Länder mit kunstsinnigen Schmieden gäbe, und für seinen Gegenwert würden einige Familien jahrelang gearbeitet haben.
    Die Sklavin schaffte es, den Becher an die Lippen des fetten Mannes zu halten. Sie zuckte nicht einmal zusammen, als er ein Rülpsen von sich gab, das sich anhörte wie der Todeslaut eines Fisches. Mit einem einzigen, gierig schmatzenden Schluck trank der Shallad den kostbaren Becher leer.
    Ein Mann mit staubbedeckten Stiefeln, einer ledernen Hose und einem Kittel aus demselben Material stieg über die Rücken der Sklaven herauf und blieb sieben Stufen unterhalb der obersten Ebene stehen.
    »Ja?« keuchte der Shallad und warf ihm listig funkelnde Blicke zu. Sein Schweiß vermischte sich mit den Ölen und Riechstoffen, mit denen man seine Gewänder getränkt hatte. Es wehte von diesem unförmigen Menschen ein Geruch nach allen Seiten, der selbst den Sklaven die Tränen in die Augen trieb.
    »Baumeister Cestral, Shallad Hadamur«, sagte der Mann mit dem langen grauen Haar und den müden Augen. »Ich habe hier einen Plan für die Fassade des Monuments. Die Fassade, die nach Sonnenaufgang zeigt. Sage mir, ob dir der Schmuck gefällt. Ich habe nach deinen Vorstellungen gearbeitet und zeichnen lassen.«
    »Man soll näher herankommen!« gurgelte Hadamur und stieß laut auf. Mit unbewegtem Gesicht kam der Baumeister drei Stufen höher, was drei Sklavenrücken bedeutete. Er zog eine Pergamentrolle nach beiden Seiten auseinander und hielt sie vor das Antlitz des Gottkönigs.
    Schweigend betrachtete Hadamur die Zeichnung. Während er die Bilder, Linien und Zeichen anstarrte, trank er kalten, gesüßten Wein, aß abwechselnd kleine, in braune und gelbe Soße getunkte Fleischbrocken und dazwischen Früchte in tropfendem Honig, die Füllungen aus anderen Früchten und gebackenen Vogelhirnen enthielten. Die Sklaven wedelten durch die Luft, die feuchten Tücher kühlten sein Gesicht, und ab und zu bewegte sich ein Fingerglied. Es sah aus, als höbe eine dicke, schläfrige Schlange ihren Kopf.
    »Gut. Man soll die obere Mauer durchbrechen. Mehr Säulen mit goldenen Bändern neben dem Tor«, ächzte Hadamur. »Wie
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