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Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond
Autoren: Hans Kneifel
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entlang der leuchtenden Felsen.
    Irgendwie und zu einem Zeitpunkt, an den er sich nicht mehr erinnerte, rannte er keuchend einen leuchtenden Hang hinauf, verschwand zwischen leuchtenden Felsen und ebensolchen versteinerten Bäumen. Das Glimmen und das lockend-abstoßende Geschrei der Kreaturen wurden leiser und schließlich bedeutungslos. Algajar brach zusammen und versank in einen Schlaf, der halbe Besinnungslosigkeit bedeutete.
    Jetzt war er aufgewacht und taumelte, noch immer keines klaren Gedankens fähig, auf eine Stelle zu, an der er hoffte, dass noch die Krieger des Shallad warteten. Stunde um Stunde verging, und nur langsam gelang es ihm, sich zu beruhigen. Er schaffte es, die Gründe für sein Handeln zu erkennen.
    Bisher hatte der Xandor Aszorg auf ihn gewartet. Er hatte die Kreaturen, über die er herrschte, in ihre Höhlen und Löcher getrieben und ihnen das Schreien verboten. Es war ein leichtes gewesen, die Opfer bis an den Rand des Kraters zu führen und dort hinunterzustoßen. Als Dank und Antwort erschollen dann röhrende, kaum verständliche Worte aus den Höhlen und Löchern des Himmelssteins. Aber in dieser Nacht erreichte die Hölle von Deneba einen Höhepunkt, denn die Chimären hatten die Menschen gewittert, die Nähe von vielem warmen Fleisch gespürt. Sie waren rasend gewesen. Und Aszorg hatte es nicht mehr geschafft, dass sie ihm gehorchten.
    Aus diesem Grund schlugen die Wellen der Begierde und des Wahnsinns über jedem zusammen, der sich in Deneba befand. Selbst über ihm, Algajar, der wie kein anderer lebender Mensch das Tal der Dämonen und des leuchtenden Sandes kannte, schwebte ununterbrochen die Drohung des Irrsinns.
    »Nicht mehr jetzt! Jetzt bin ich gerettet!« stöhnte er, als er weit vor sich eine Reihe von Orhakoreitern erkannte. Er blinzelte im Licht der Vormittagshelligkeit. Undeutlich erkannte er die Zeichen des Schwertmonds auf den Schilden der Vogelreiter.
    Er winkte und benutzte, nachdem er die Schneide gereinigt hatte, sein blankes Schwert, um damit Lichtzeichen zu geben.
    Endlich wurde ein Krieger auf ihn aufmerksam. Die Kolonne der reitenden Patrouille änderte ihre Richtung und kam auf ihn zu. Er winkte mit schwachen Bewegungen. Nachdem sie ihn erkannt hatten, war es einfach: Kurz darauf saß er, den Inhalt eines Wasserschlauchs in gierigen Schlucken in sich hineintrinkend, auf dem Rücken eines Vogels.
    Die Krieger des Shallad eskortierten ihn im Sattel eines frischen Reitvogels nach Hadam.
    Der große, prunkvolle Raum schien aus den Felsen geschlagen worden zu sein. Riesige Sonnensegel dämpften auf den Terrassen das Licht. Schwitzende Sklaven bewegten vor jedem Eingang die quadratischen Fächer, die sich in kugeligen Lagern voll von Fett lautlos bewegten. Ununterbrochen wehte ein Luftzug über den kalten Marmor und die kühlen Säulen aus weißem Granit.
    Der Shallad wollte es so.
    Er hörte weder das Schwirren der Peitschen noch die ächzenden Schreie der Bausklaven. Es bekümmerte ihn nicht. Alles, was er wollte, war das rasche Fortschreiten des kolossalen Bauwerks. Das Mausoleum wuchs von Tag zu Tag. Es sollte jedes andere Gebäude, das man kannte oder von dem die Erzähler berichteten, an Schönheit, Ausstattung und Größe überragen. So wollte es Hadamur, und der Wunsch des Gottkönigs war Befehl. Armeen von Arbeitern schufteten ununterbrochen in Hadam.
    Hadamur war nur scheinbar abgestumpft. Es gab Vorgänge, die inzwischen so alltäglich geworden waren, dass sich sein Verstand weigerte, sie zu bemerken. Andere Dinge aber beschäftigten ununterbrochen sein rastloses Gehirn.
    »Schneller!« sagte er ächzend.
    Seine Stimme kam aus einer Kehle, die verfettet war. Sein Kopf bestand aus schwabbelndem Fett. Auf dem Schädel wuchs nicht mehr ein einziges Haar. Die winzigen Augen waren von dicken Schichten aus zitterndem Gewebe bedeckt, aber keineswegs sah der Shallad deswegen weniger. Auch sein Gewicht, das dem entsprach, das mehr als sechs stattliche Männer seines Hofstaats auf die Waage brachten, war ungewöhnlich. Ein Dutzend Sklaven schleppten seinen Sessel durch einen Korridor, dessen Boden, Wände und Decke unvorstellbar prächtig waren. Er verschwendete nicht einen einzigen Blick darauf. Zwei stämmige Sklaven mit dunkler Haut bewegten vor und hinter dem Haupt des Shallad die großen Fächer, die aus dem Gefieder von Shetcal-Vögeln bestanden. Für jeden Vogel, der geschossen oder gefangen wurde, mussten drei Jäger sterben, so delikat war die Jagd auf diese
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