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Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond
Autoren: Hans Kneifel
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Männer und besonders der Anführer waren kampferprobt und unbedingt zuverlässig. Man hatte ihr gesagt, dass jenseits der Arvenbaum-Oase die Gefahr so gut wie vorüber war. Deshalb hoffte sie, dass die Oase bald hinter der nächsten Biegung der Straße erscheinen würde.
    Zuerst aber änderte sich das Aussehen der Gegend. Die Morgensonne verschwand hinter der riesigen Nebelwand, die ein erstes Zeichen der Schattenzone war. Die Erscheinungen hier blieben undeutlich und ängstigten niemand, aber Nohji wusste, dass in den Nächten seltsame Steine aus dem Himmel fielen, und man berichtete von Sandhosen, die sich urplötzlich bildeten und eisige Kälte mit sich schleppten. Bisher hatte sie im Süden nur undeutliche Schatten gesehen und ab und zu jenen Nebel.
    Der Sand, der eben noch golden im Sonnenlicht und unerträglich grell geleuchtet hatte, wurde stumpf. Zwischen einigen Felsbrocken und dürren Sträuchern verbreiterte sich die Straße zu einer langgezogenen dreieckigen Fläche. Rechts und links ragten an fast allen Stellen steile Wände auf. Sie waren von Spalten zerrissen, Steine und riesige Brocken waren heruntergefallen und halb von nachrieselndem Schutt und Geröll begraben worden. Einige Schluchten, durch die in grauer Vorzeit einmal reißende Gebirgsbäche geflossen sein mochten, unterbrachen die natürlichen Wälle mit ihrer schroffen, unbesteigbaren Glattheit.
    Weit am Ende dieser Flussebene führten die Felswände wieder zusammen. Blickte man genau hin, war spärliches Grün zu sehen. Es handelte sich um einige Dutzend zerzauster Arvenbäume, der Zirbelkiefer verwandte Gewächse, deren Wurzeln senkrecht tief in den Boden hineingebohrt waren. Dort standen die drei Felsen.
    Von hier aus wirkten sie tatsächlich wie drei leicht gekrümmte Finger. Sie wuchsen aus einem massiven Felsstück heraus, das wie der Teil einer Hand aussah. Die Struktur des Felsens und große Flächen von Sichenmoos, das auf den »Gelenken« wucherte, erzeugten den Eindruck, als wären die knochigen Finger von Geschwüren und offenen Wunden überzogen. Auch die Färbung entsprach dieser Charakterisierung. Niemand, der jemals hier durchgezogen war, vergaß die Finger.
    Eben noch hatten sie lange Schatten geworfen. Jetzt schienen sie die kleine Ebene gegen den grauen Hintergrund abzusperren und den Näherkommenden ein »Halt!« zuzuwinken.
    Gerade als sich die Prinzessin wieder auf den gepolsterten Sitz zurückfallen ließ, erschollen zwischen den Felswänden grauenhafte Geräusche.
    Ein gellendes Trillern ertönte und brach sich in zahllosen Echos. Augenblicklich kreischten die Orhaken wild. Die Krieger rissen die Schilde hoch und die Schwerter aus den Scheiden. Die gleichmäßigen Krallentritte der Reitvögel wurden schneller. Andere Schreie hallten zwischen den Felswänden. Dann erhob sich die Stimme des Anführers. Algajar brüllte: »Es müssen die Rebellen von Hodjaf sein, dem Vogt der Schrunde. Verteidigt das Leben der Prinzessin!«
    Die Reiter drängten ihre Vögel auseinander und nahmen die langen Lanzen aus den Sattelschuhen. Als Prinzessin Nohji aus einem Spalt der Zeltwand blickte, sah sie, wie aus dem Ausgang einer schmalen Schlucht ein Vogelreiter nach dem anderen herauspreschte. Die Krallen der gefiederten Tiere rissen dreieckige Spuren in den Sand. Die Federn und die kleinen Wimpelreste an den Lanzenspitzen flatterten. Auch die Rebellen und Wegelagerer, kaum hatten sie den Schutz der Schlucht verlassen, bildeten eine breite Linie, stellenweise bereits zwei Glieder tief. Drei bis vier Pfeilschussweiten trennten die Karawane und die Angreifer. Die Begleiter der Prinzessin hatten augenblicklich begriffen, dass ihre einzige Chance in wütender Gegenwehr bestand.
    Die Angreifer machten sich durch laute Schreie selbst Mut. Die Rebellen in der ersten Angriffsreihe fällten ihre Lanzen. Ein Orhakoreiter ergriff den Zügel des Diromos und zerrte das hochbeinige Tier mit dem Tragegestell an den Rand der Straße. Er trabte entlang der Felswand und riss seinen Reitvogel herum. Das Diromo blieb verwirrt in einem Winkel der Felsen stehen, drehte sich mehrmals um seine eigene Achse und streckte dann den Kopf in die Richtung, aus der Lärmen, Schreien und Waffenklirren ertönten.
    Die ersten Kämpfenden trafen aufeinander.
    Die Schnäbel der kreischenden Orhaken zuckten hoch und herunter. Lanzenspitzen bohrten sich in die Leiber der Vögel. Wutschreie der Verteidiger, die sausenden Hiebe der gekrümmten Schwerter und die anfeuernden Rufe
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