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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Schülterchen zu rutschen, musste man bei mir lange im Fundus wühlen, bis man einige wenige Kleidungsstücke gefunden hatte, die hinten überhaupt zugingen.
    Während sich der Top-Haarstylist Heiko Bott rührend um die Frisuren der Prominenz bemühte, durfte sich an mir ein talentfreier Geselle ausprobieren, der mich tatsächlich so verunstaltete, dass ich mich weigerte, den Laufsteg zu betreten.
    Ich bin selbst keine Virtuosin mit dem Glätteisen – aber dieser Lehrling hatte meine Haare zu einer unbeweglichen, brettharten Haar-Masse gegrillt. Außerdem war ich, anders als alle anderen um mich herum, noch nicht geschminkt worden.
    Rote Panikflecken auf teigig-blasser Haut unter haarsträubenden Haaren.
    Ich sagte: «Entweder eine gutschließende Burka oder eine andere Frisur.» Ich kämpfte mit den Tränen, und meine rot umrandeten Augen ertranken in einer unschönen, weinerlichen Wässrigkeit.
    Der herbeigerufene Meister Bott verbarg seine Gefühle mir gegenüber nicht. «Die ist dick, und die ist niemand – dafür aber schwierig», dünstete es aus jeder seiner parfümierten Poren.
    Ich versuchte meine natürliche Würde zurückzuerlangen, als ich hinter der Bühne auf meinen ersten Auftritt wartete. Vergebens. Man hatte mich in eine moderne Abendrobe in Weiß – das macht ja auch nicht schlank – gesteckt, in der ich aussah wie ein explodiertes Baiser.
    Die Designerin dieses weißen Albtraumes war selbst anwesend und schien auch sehr unglücklich darüber, dass ihr Kleid ausgerechnet an mir gelandet war und nicht an Sylvie van der Vaart – die ich zunächst für eine illegal beschäftigte Minderjährige hielt und die dann, beim Finale, bedauerlicherweise ausgerechnet neben mir hertrippelte wie ein Kolibri neben einer Elefantendame.
    Aber ach, ist das Leben nicht schön, wenn man alles, was einem widerfährt, auch das Unschöne und das Peinliche, verwerten und wiederverwerten kann?
     

    Das ist das Großartige daran, Schriftstellerin zu sein: Alles geschieht mir für einen guten Zweck. Jede Demütigung, auf die mir die passende Antwort erst Wochen später oder gar nicht einfällt, inspiriert mich. Jede doofe Pissnelke, die mir den Parkplatz, den Mann oder die letzte Matte im Yogalates-Kurs wegschnappen will, tut mir einen Gefallen.
    Jede Verkäuferin, die mich schlecht behandelt, jeder Freund, der mich enttäuscht, jeder Mann, der in der Sauna über mich hinwegsieht wie über ein liegengelassenes Handtuch in Dunkelbraun – ihr alle macht mich reicher, erfahrener und menschlicher.
    Eine besonders dämliche Arschkrampe sagte mir kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten und bisher auch einzigen Romans: «Mein Buch wird es natürlich schwerer haben als deine Bücher, weil ich für eine sehr ausgewählte Zielgruppe schreibe. Ich kann mich nicht mit der Menge gemeinmachen. Ich habe halt auch keinen Hintern wie ein Hubschrauberlandeplatz.»
    Darauf fiel mir selbstverständlich nichts ein. Aber wenn ich die Kackbratze heute sehe, wie sie ihren verknöcherten Arsch hinter sich und ihre dümmliche Arroganz vor sich herträgt, freue ich mich jedes Mal. Über mich. Über meinen Hintern, der gewichtig ist, und über mein Ego, das brüchig ist. Über mein Selbstwertgefühl, das schwankt wie der Dax an einem besonders turbulenten Börsentag, und darüber, dass ich weiß, wie es ist, wenn man sich blöd vorkommt oder dick, wenn man sich wie ein Teenager fühlt, während man auf einen Anruf wartet, oder wie eine Greisin, weil man sich auf der Moritz-von-Uslar-Lesung zwischen die dreißigjährigen «Mädchen» und ihre Volvic-Flaschen auf den Boden hockt, wovon einem noch Wochen später die Sitzbeinhöcker wehtun.
    Ich bin wie die meisten. Normal.
    Ich kann nur eine Sache besonders gut: darüber schreiben, wie es ist, normal zu sein.
    Manchmal, eigentlich sogar ziemlich oft, kann ich es selbst nicht fassen: Aus mir ist eine Bestsellerautorin geworden! Und das ist ja nun nicht gerade ein Lehrberuf, in den man langsam hineinwächst. Als ich mein erstes Interview gab, hätte ich am liebsten Windeln getragen, so nervös war ich.
    Mensch, auf einmal bin ich ein Mensch, der Autogramme gibt! Auf einmal bin ich ein Mensch, der Fanpost bekommt! Und auf einmal bin ich ein Mensch, der seine eigene Filmpremiere besucht!
    Ich erinnere mich gut, wie ich meiner Meinung nach göttinnengleich am Arm des Regisseurs Ralf Huettner, der aus «Mondscheintarif» einen super Kinofilm gemacht hat, über den roten Teppich schwebte. Reporter,
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