Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
Vom Netzwerk:
Treppenlifte und Kreuzfahrten werben.
    Er wirkte etwas verloren zwischen all den paarungswilligen jungen Leuten. «Zu dem kannst du nett sein», sagte ich mir. «Der ist lieb und lebt nicht mehr lange.»
    Ich hatte das gute Gefühl, ein gutes Werk zu tun, als wir uns abends an der Bar verabredeten. Heiner begann sogleich von seiner künstlichen Hüfte und seiner Tochter zu berichten – beide ungefähr in meinem Alter.
    Als er mich zum Tanzen aufforderte, verfluchte ich innerlich die Fortschritte der modernen Medizin, die es Menschen mit künstlichen Hüften möglich macht, auf «In da Club» von 50 Cent zu tanzen. Standardtanz natürlich, zwei links, zwei rechts und alle zwanzig Sekunden eine Drehung.
    Und dann fing Heiner an zu fummeln.
    Ich dachte, mich trifft der Schlag. Ein Lustgreis!
    Warum muss sich der wahrscheinlich älteste jemals registrierte Gast der Clubgeschichte ausgerechnet an mir vergreifen? Während ich mich verzweifelt fragte, ob ich das hier meinen Freundinnen überhaupt erzählen könnte und was das eigentlich über mich und meine Ausstrahlung aussagte, schob ich Heiners Hände auf meine Hüften zurück. Was er seltsamerweise als aufmunternde Geste wertete.
    «Auf alten Schiffen lernt man gut segeln», raunte er mir an seinen dritten Zähnen vorbei ins Ohr. «Gestern bin ich zwar nass geworden, aber keine Bange, das passiert mir nicht noch mal.»
    «Bitte?»

    «Die Liegen auf der Sonnenwiese sollte man nachts meiden wegen der …»
    «… Rasensprenger. Ich weiß. Verzeih bitte, Heiner, aber ich kann bereits segeln.»
    Ich ließ den gierigen Greis stehen, und mir fiel eine andere Greisin ein, Margarete Mitscherlich, die gesagt hat: «Nur eine kleine Minderheit wünscht sich im Alter, ein tugendhafteres Leben geführt zu haben. Ich wünschte, ich hätte mehr gesündigt.»
    Das mag sein. Aber so alt kann ich gar nicht werden, als dass ich es bereuen würde, nicht mit Heiner gesündigt zu haben.
     
    Meine Sünden begehe ich nahezu ausschließlich im nahrungstechnischen Bereich – der Vater meines Leibesfrüchtchens steht also fest.
    Seit zwei Stunden gehöre ich zur Gattung «werdende Mutter». Vor mir liegen die Schwangerschaftstests. Der Smiley verblasst schon langsam. In ein paar Tagen, so stand es in den Gebrauchsanweisungen, wird nichts mehr zu sehen sein von meinen Ergebnissen. Nicht schlimm. Denn eben erwischte ich meinen Mann, wie er die Teststäbchen in vorteilhaftem Licht fotografierte.
    «Ist schließlich das erste Bild meines Kindes», sagte er verlegen – hatten wir uns doch fest vorgenommen, auf die Nachwuchs-Nachricht mit zurückhaltender Freude und abwartender Sachlichkeit zu reagieren.
    «Ich bin höchstwahrscheinlich schwanger», hatte ich dem dazugehörigen Mann möglichst emotionslos verkündet. «Aber ich bin auch alt, und ich habe letzten Samstag drei Mojito getrunken, und ich habe im Internet gelesen, dass dreißig Prozent aller Schwangerschaften von Frauen um die vierzig mit einer Fehlgeburt innerhalb der ersten zwölf Wochen enden. Wir sollten es also noch niemandem erzählen und uns nicht zu früh freuen.»
    Er war blass geworden und hatte benommen genickt. Unsere Fähigkeit zur Hoffnung hat sich, diesbezüglich, in den letzten fünf Jahren ziemlich abgenutzt.
    Mein Mann hatte auf den grinsenden Schwangerschaftstest geschaut. Und zurückgegrinst. Und das war’s dann bei mir gewesen mit Zurückhaltung und abwartender Sachlichkeit.
    Ich hatte angefangen zu heulen, wie eine Irre rumzuhüpfen und zu schreien: «Wir bekommen ein Kiiiiiind! Ich bin schwaaaanger!» Und schließlich schluchzte ich: «Ach und übrigens: Herzlichen Glückwunsch!»
    Denn heute hat der Vater meines ungeborenen Zellhaufens Geburtstag.
    Und heute beginnen drei neue Leben.
    Und darauf trinke ich jetzt mein letztes Glas Champagner für lange Zeit.
    Prost, Mama Kürthy!

«Ich bin mein eigenes Kind,
    wozu brauche ich noch mehr?»
    TOMI UNGERER
    27. August
    Schwangerschaftswoche: 5 + 0 Tage
    Gewicht: Keine Waage in unserem Hotelzimmer. Leider auch kein Ultraschallgerät. 
    Zustand: 28 Grad, makelloser Himmel über Ibiza. Ich liege oben ohne am Strand. Danke, ihr Schwangerschaftshormone. Topless! Ich! Dass ich das noch erleben darf! 
     
    I ch genieße den Urlaub, so gut ich kann. Aber so ein Sonnenuntergang verliert ohne Alkohol ja doch einen Gutteil seiner romantischen Ausstrahlung.
    Die Woche Ibiza war schon lange gebucht. Da hatten wir noch gedacht, wir müssten unbedingt mal die Szene dort
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher