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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Autoren: Ildikó von Kürthy
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mir geworden.
    Berlin hat mich immer mindestens so nervös gemacht wie emanzipierte Frauen, Globetrotter, Selbstverwirklichungsliteratur und Musik, die langsam anfängt und dann immer schneller und schneller wird. So wie der «Csárdás» von Kitty Hoff.
    Hatte ich ewig nicht gehört. Aber in den Berliner Nächten konnte ich den Csárdás gut ertragen.
«Komm schon, komm schon, lass uns starten,
bevor das Leben verglüht.
Warum weinen oder warten, dass ein Wunder geschieht?
Heute Nacht muss alles weg:
Tränen, Trauer, Hoffnung, Dreck.
Komm schon, komm schon, lass uns starten,
bevor das Leben verglüht!»
    Am Tag, als ich aus Berlin zurückkehrte, reichte ich meine Kündigung ein. Ich hatte Angst, dass mich die vertraute Verzagtheit allzu schnell wieder übermannen würde.
    Aber bis heute, immerhin bereits drei Monate später, halte ich mein Gewicht und mein Versprechen, den Routinen in meinem Leben nicht das Regiment zu überlassen.
    Vergangene Woche habe ich mir eine Jeans gekauft, die ich letztes Jahr allenfalls als Augenbinde hätte benutzen können. Ist das zu fassen? Ich bin eine selbständige Unternehmerin, die sehr viel in wenig Öl gedünstetes Gemüse isst und regelmäßig Sport treibt.
    Ich erkenne mich selbst kaum wieder! Wobei ich sagen muss, dass ich mich eigentlich immer für einen sportlichen Menschen gehalten habe. Dreimal die Woche eine Stunde Ausdauertraining war auch bisher kein Problem für eine Athletin wie mich. Dass ich bei meinen Runden um die Hamburger Alster häufig von fettleibigen Dackeln und walkenden Seniorinnengruppen überholt wurde, hatte mich kaum gestört. Fettverbrennung funktioniert am wirksamsten im aeroben Bereich, ohne Anstrengung, ohne Schweiß, hatte ich mich getröstet. Dieses Konzept des Niedrigleistungs-Sports kam meinem trägen Gemüt und meinem auf Widerstandsvermeidung ausgelegten Charakter sehr entgegen. Manches Mal hatte ich mich allerdings schon gewundert, warum sich mein Körper – abgesehen von einem soliden Ruhepuls und einer passablen Grundausdauer – von meinem Sportprogramm so unbeeindruckt zeigte.

    Wo waren die Michelle-Obama-Oberarme, wo die brettharte Bauchmuskulatur, wo die gestählten Oberschenkel? Und warum klang ich, wenn ich meinen Wochenendeinkauf in den zweiten Stock tragen musste, wie eine Spätgebärende in den Presswehen?
    Mein persönlicher Trainer Marco sagte mir dazu Sachen, die ich nicht unbedingt hören wollte: «Training bedeutet Anpassung, und das funktioniert nur, wenn man an seine Grenzen und darüber hinausgeht. Sonst ändert sich nichts. Aber die meisten wollen die Wahrheit gar nicht wissen und bleiben lieber gemütlich auf dem Crosstrainer und lesen dabei die Tageszeitung. Was soll da passieren? Das ist Zeitverschwendung. Wenn du dich verändern willst, musst du dich anstrengen. Sonst kannst du es gleich bleibenlassen.»
    Übellaunig habe ich an die verplemperten Jahre gedacht, die ich gemütlich auf Stairmastern und Crosstrainern zugebracht hatte, und mir erst mal eine neue Sporthose in der angesagten Trendfarbe Violett gekauft.
    Geht nicht an, dass ich neben meinem Trainer nicht nur körperlich, sondern auch modisch einen kläglichen Eindruck mache. Früher war es ja so, dass man sich zum Sport abschminkte, die Haare mit einem Einmachgummi oder was sonst gerade rumlag, zurückband und ein knielanges Schlaf-T-Shirt über Leggins stülpte, die man ansonsten weggeworfen hätte.
    Diese Zeiten sind bedauerlicherweise lange vorbei. Eigentlich muss man immer und überall gut angezogen sein, sonst gerät man sofort in den Verdacht, man würde sich gehenlassen – und das ist ja absolut verboten.
    Beim Stepp-Aerobic-Kurs trägst du modische Funktionskleidung im sorbetfarbenen Lagen-Look, kombiniert mit einem dezenten, wasser- und schweißfesten Make-up und einem Schirmmützchen mit angesagtem Schriftzug in ausländischer Sprache.
     
    Heute Morgen war ich also chic in atmungsaktivem Lila – denn ich möchte nicht, dass Marco sich mehr als unbedingt nötig für mich schämen muss – zum Training in die Turnhalle geeilt und hatte versucht, beim Kickboxen Aggressionen ab- und beim Salsa-Work-out ein positives Körperbewusstsein aufzubauen.
    Dabei hatte mich jedoch dieses typische Ziehen im Unterleib gestört, was einen kurzen Einkauf in der Abteilung «monatliche Damenhygieneartikel» des Drogeriemarkts nach sich zog.
    Warum ich dort auch einen Schwangerschaftstest kaufte?
    Ich würde allzu gerne von einer Art schicksalhafter Eingebung
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