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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George
Autoren: Judith Summers
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alles, ohne
ein Wort zu sagen. Er hat uns auch zahllose Nächte gekostet, hat mindestens
einen meiner Freunde vertrieben und mich manchmal fast wahnsinnig gemacht. Und
dennoch wollte ich ihn um keinen Preis der Welt missen. Was dadurch bewiesen
ist, dass ich jeden Morgen mit ihm auf Hampstead Heath spazieren gehe, selbst
wenn es in Strömen regnet, und einen größeren Liebesbeweis kann keine Frau
erbringen, besonders wenn ihr Haar gerade frisch geföhnt ist.
    In Hundejahren nähert George sich jetzt
dem sechzigsten, und leider macht sich das Alter bei ihm bemerkbar. Und je
älter er wird, desto höher werden die Wartungskosten. Bis heute hat er mich
etwa 15 000 Pfund in Tierarztrechnungen, Hotelrechnungen,
Hundesalon-Rechnungen, Futter und Krankenversicherung gekostet, und die Zeit,
die ich für seine Pflege aufgewendet habe, lässt sich gar nicht beziffern. Aber
wozu sind Zeit und Geld schließlich da, wenn nicht, um für Menschen und Dinge
ausgegeben zu werden, die wir lieben?
    Nächste Woche gehen wir zu einem
tierärztlichen Kardiologen, der George einer gründlichen Herzuntersuchung
unterziehen wird. Zweifellos wird man teure Medikamente, eine Gefäßplastik oder
sogar eine Herzoperation vorschlagen. Von der Reha hinterher, wahrscheinlich in
einem teuren Hundekurort, ganz zu schweigen. Es ist schwer zu akzeptieren, dass
George wirklich krank ist, weil er immer noch so gesund aussieht. Vielleicht liegt
es daran, dass er pummelig ist. Oder behäbig, wie Joshua sich ausdrückt. Oder
fett, wie Sue es unverblümt nennt. Wie die meisten Menschen ist auch George
fast ständig auf Diät, und wie die meisten Menschen hält auch er sie nicht ein.
Doch wessen Schuld ist das?
    Aber egal, mit welchem Eigenschaftswort
man seinen Leibesumfang beschreibt, für uns ist George immer noch so schön wie
am ersten Tag, als er Mrs Colmans Treppe heraufgestürmt kam. Vielleicht bin ich
ja oberflächlich, aber ich werde nie aufhören, sein Aussehen zu bewundern. Zum
Beispiel wenn er zusammengerollt vor dem Kamin schläft, die sommersprossige
Nase zwischen den seidig behaarten Pfoten und die Zungenspitze herausgestreckt
wie der Rand einer winzigen rosa Briefmarke. Oder wenn er am Küchentisch um
Happen bettelt, wobei seine Knopfaugen glänzen wie die eines Teddybärs und sein
Schwanz erwartungsvoll über den Boden fegt. Oder wenn er über die Wiese auf
mich zugerannt kommt und seine langen Ohren sich im Wind auf und ab bewegen wie
kleine behaarte Schwingen. Oder wenn er im Wald ein Eichhörnchen beschleicht
und mit erhobener Pfote, wie die Jagdhunde, von denen er abstammt, reglos
dasteht und darauf wartet, dass die Verfolgungsjagd losgeht. In solchen
Momenten kann mein pummeliger Hund immer noch ganz herrlich, aristokratisch und
sogar zierlich aussehen, und ich kann nicht vermeiden, dass meine Knie dann
weich werden.
    Vom Charakter her ist George immer noch
so zärtlich und unwiderstehlich wie eh und je. Kein Mann hat mich jemals so
bedingungslos geliebt wie er, und ich bin überzeugt, niemand wird es je tun. Er
ist tolerant bis zur Passivität und ruhig fast bis zur Bewusstlosigkeit. Aber
er ist auch dickköpfig und schrecklich eigensinnig. Er hat immer noch nicht
begriffen, dass Nein wirklich Nein bedeutet, oder dass man hinter Bällen
herlaufen soll, und apportiert hat er auch noch nie etwas, also ist er
wahrscheinlich nicht der intelligenteste Hund der Welt. Oder vielleicht ist es
gerade umgekehrt? Für jemanden, der die Sprache der Menschen nicht spricht,
weiß George immer, wie er bekommen kann, was er will: einen Spaziergang, eine
Liebkosung, Aufmerksamkeit, etwas zu fressen.
    Zum Glück habe ich mich im Laufe des
letzten Jahres bei George etwas mehr durchgesetzt. Ich habe meinem alten Hund
sogar ein paar neue Dinge beigebracht, wie zum Beispiel nachts allein zu
schlafen. Doch ich glaube, ihm ist das jetzt noch wichtiger als mir. In manchen
Nächten, wenn Zach nicht da ist, schleiche ich mich ins Arbeitszimmer, hebe
George hoch und trage ihn in mein Zimmer, wo ich ihn aufs Bett lege. Dort liegt
er dann eine Weile und leistet mir still Gesellschaft. Aber irgendwann gleitet
er leise vom Bett und trottet wieder in sein Zimmer, wo er sich in seinem
bequemen Korb mit dem Futter aus Waschpelz zusammenrollt. Auch er schätzt
inzwischen seine Unabhängigkeit...
    Moment — ich höre oben in der Küche ein
Bellen. Jetzt hat es aufgehört. Jetzt fängt es wieder an. Jetzt ist es wieder
still. Und jetzt höre ich das Trappeln von
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