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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George
Autoren: Judith Summers
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Langsam, aber sicher sinkt sein Kopf nach unten.
Er hat eingesehen, dass er fürs Erste nichts weiter zu fressen bekommt, und
wendet sich seiner Lieblingsbeschäftigung zu: dem Tiefschlaf.
    Um 8 Uhr 15, nachdem ich meinen Sohn
aus seinem Tiefschlaf geholt und in die Schule geschickt habe, wecke ich
George. Da er weiß, was als Nächstes auf der Tagesordnung steht, hebt er den
Kopf nur sehr widerwillig und sieht mich argwöhnisch an. Ich jedoch,
entschlossen, mich für das frühe Wecken zu rächen, rufe »Gassi!«, wobei ich versuche,
so viel Begeisterung wie möglich in meine Stimme zu legen. Ich befestige seine
Leine am Halsband und zerre ihn vom Sessel und zur Haustür hinaus. Mit
sehnsüchtigem Blick zurück trabt George neben mir die Straße entlang und wedelt
bei jedem geparkten Auto mit dem Schwanz in der Hoffnung, dass wir vielleicht
einsteigen. Gassi gehen im Auto — was bedeutet, vorn neben mir zu sitzen und in
die Landschaft hinauszuschauen — ist Georges liebste Art der Fortbewegung, und
das ist auch der Grund für sein Gewichtsproblem.
    Entschlossen gehe ich an den Autos
vorbei, während mein aufsässiger Cavalier an seiner Flexileine immer weiter
zurückbleibt. Und das ist erst der Anfang. Als er die Heide vor sich auftauchen
sieht, gräbt er die Klauen ein und bleibt stehen. Ich ziehe sanft an der fünf
Meter langen Leine, die jetzt zwischen uns liegt, aber George rührt sich nicht.
Ich versuche ihn zu locken: »Nun komm schon, Schätzchen!«, aber als er sich
immer noch nicht rührt, weicht mein zärtliches Gesäusel langsam der Ungeduld: » komm ! George! Bei Fuß! bei fuss , hab ich gesagt! Mach endlich
mal das, was ich sage!«
    George pflanzt sein breites Hinterteil
fest auf den Gehweg. Wie Gangster beim Showdown fixieren wir einander, jeder an
seinem Ende der Leine. Ich denke daran, was die Verhaltenstherapeutin, die ich
um Rat fragte, gesagt hatte: Ich muss George zeigen, wer der Leithund ist, und
ich darf mich nie von ihm unterkriegen lassen. »Okay!«, sage ich so ruhig wie
möglich. »Jetzt reicht’s!« Ich drehe mich um und gehe weiter, und da George
seinen Sitzstreik nicht aufgeben will, schlittert er auf dem Hinterteil hinter
mir her. Sein Halsband rutscht nach oben über das eine Ohr, und da er ein
großartiger Schauspieler ist, fängt er an zu husten und zu würgen, als würde
ich ihn erdrosseln.
    »Oh, sieh mal, der arme kleine Hund!«
    Eine Gruppe von Kindern aus der
Grundschule kommt vorbei, also muss ich stehen bleiben. Sie umringen George und
schwatzen durcheinander: »Oh, ist der süß!« »Ist der hübsch!« »So einen möchte
ich auch haben!« George klimpert mit den Wimpern, springt auf und schmiegt sich
an die Kinder, als könne er kein Wässerchen trüben. Aber als die Mütter näher
kommen, geht er zur Seite, macht den Rücken krumm und...
    »Iiii!« »Pfui!«
    George hat ein perfektes Häufchen auf
den Gehweg gesetzt. Während ich mich bücke und es mit einem hygienischen
Plastikbeutel aufnehme, haben die Mütter ihre entrüsteten Kinder eingeholt.
Voller Abscheu starren sie abwechselnd das Häufchen, George und mich an, als ob
ich dadurch, dass ich meinen Hund auf den Gehweg kacken lasse, die gesamte
Nachbarschaft in Misskredit gebracht hätte. So schnell ich kann, verknote ich
den Plastikbeutel, damit kein Geruch entweicht, aber ich bin nicht schnell
genug. Gepuderte Nasenflügel beben, die Frauen erschauern dramatisch und ziehen
ihre Kinder weiter. Eine sieht mich so wütend an, als sei ich eine
Kinderschänderin oder hätte das Häufchen selbst gemacht.
    Wie ich da stehe, gedemütigt, den
Plastikbeutel mit dem warmen, weichen Inhalt in der Hand, steigt in mir ein unerklärlicher
Ärger über George hoch. Schlimm genug, dass ich einer der wenigen Hundebesitzer
in Hampstead bin, der mit seinem Hund selbst hinausgeht, statt einen
hauptamtlichen Hundewalker damit zu beauftragen, nein, ich muss auch noch seine
Hinterlassenschaft selbst aufheben. Außerdem passieren diese Zwischenfälle mit
solcher Regelmäßigkeit, dass ich mich langsam frage, ob George das vielleicht
absichtlich so einrichtet, um mich vor meinen eigenen Artgenossen zu blamieren.
In anderen Worten, er rächt sich dafür, dass er gegen seinen Willen Gassi gehen
muss. Kann das möglich sein? Macht mein Hund seine Häufchen aus Rache — oder
bin ich jetzt völlig verrückt geworden?
    Bleibt nur noch das Entsorgen des
Beutels im Sammelbehälter am Ende unserer Straße. Da steht er, ein
schlammbespritzter,
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