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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George
Autoren: Judith Summers
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nicht, ihn ganz herauszuziehen, genau wie wir
alle. Das Picknick war vorüber, noch ehe es angefangen hatte. Wir packten unser
Essen wieder ein, kletterten über die Felsen und fuhren meilenweit zu einem
Tierarzt am Rande eines Industriegebiets, wo wir stundenlang in einem dunklen
Wartezimmer saßen, während man George sedierte und den Angelhaken
herausoperierte.
    Wie der Tierarzt schon vor langer Zeit
gesagt hatte, diese Dinge konnten auch nur George passieren.
    Angelhaken, Grassamen und die zweimal
wöchentlichen Spritzen zur Immuntherapie — es war nur gut, dass ich so viel
Zeit hatte, um mich um ihn zu kümmern. Seit Zach und ich uns im Oktober 2005
getrennt hatten, war ich eine sehr gewissenhafte Mutter und Hundehalterin
geworden. Natürlich vermisste ich die angenehmen Dinge unserer Beziehung — seinen
Sinn für Romantik, seine anregenden Gespräche, seine Fähigkeit, mich zum Lachen
zu bringen — , doch zum ersten Mal seit drei Jahren fühlte ich mich in meinen
Pflichten nicht mehr hin- und hergerissen. Zu Georges Entsetzen ging ich
stundenlang mit ihm spazieren. Und zu Joshuas gelegentlichem Ärger blieb ich
jeden Abend zu Hause und kochte nahrhafte und meiner Meinung nach
wohlschmeckende Mahlzeiten, die er unweigerlich mit dem Kommentar quittierte:
»Ach Mum, doch nicht schon wieder Koteletts/Hähnchen/Spaghetti
bolognese? Kann ich mir nicht ‘ne Pizza bestellen?«
    Statt sich darüber zu freuen, dass
seine Mutter so viel zu Hause war und ihn bei den Hausaufgaben abfragen konnte
oder interessante und lehrreiche Fernsehprogramme vorschlug, die wir zusammen
sehen könnten, schien mein Sohn etwas unzufrieden. Es stellte sich heraus, dass
er, während ich Gewissensbisse hatte, ihn abends so oft allein zu lassen, ganz
gern das Haus für sich hatte und seine nörgelnde Mama keineswegs vermisste.
Freitag- und Samstagabend waren eine besondere Enttäuschung für ihn, denn da
hatte er sich sonst oft Freunde eingeladen. Sie spielten Karten und sahen sich
DVDs an, hörten laute Musik und blieben meist bis in die frühen Morgenstunden
beisammen, wobei sie so viel Unordnung und Lärm machen konnten, wie sie
wollten. Jetzt war der Spaß zu Ende. Der Spielverderber war wieder da.
    In diesem Jahr beobachtete ich Joshua
immer öfter mit Staunen. Als Udi starb, war mein Sohn ein kleiner,
verängstigter Junge von acht Jahren gewesen. Und plötzlich war er ein
selbstbewusster, kluger und origineller junger Mann, eins achtzig groß und fast
erwachsen. Wo war die Zeit geblieben? Und was war mit dem Stiefvater, den ich
mir so für ihn gewünscht hatte? Vielleicht wäre es Mr Belsize Park gewesen, der
Mann, neben dem ich in der U-Bahn gesessen hatte. Nie würde ich wissen, ob das
nur eine dumme Fantasie von mir war oder ob ich damals eine wirkliche
Gelegenheit verpasst hatte.
    Joshua war nicht mehr in dem Alter, in
dem er einen Stiefvater brauchte, so wie er ihn damals gebraucht hätte. Aber
ich wusste, es war nicht alles umsonst gewesen. Denn statt eines starken
Mannes, der ihm ein Vorbild gewesen wäre, hatte Joshua mehrere gehabt, und
jeder war auf seine Art wertvoll für ihn. Da war Alex, der ihn noch immer zu
den Spielen von Arsenal mitnahm, und Philip, der immer für ihn da sein würde
und mit dem er zusammen mit Sue und Jessica unvergessliche Ferien verlebt
hatte. Da war sogar noch Joshuas alter Erzfeind, Anthony. Jetzt, da Anthony und
ich nur noch Freunde waren, waren Anthony und Joshua ebenfalls gute Kumpel
geworden, und Anthony zog ihn oft damit auf, was für eine Nervensäge er damals
gewesen sei. Und es gab noch jemanden: unseren neuen Nachbarn. Er selbst hatte
seinen Vater in einem ähnlichen Alter verloren wie Joshua und wusste, wie es
für einen Jungen ist, wenn er keinen Mann um sich hat, um ihm die richtige
Richtung zu zeigen. Großzügig hatte er sich bereit erklärt, Joshua unter seine
Fittiche zu nehmen und ihm einen Eindruck von seiner Geschäftswelt zu
verschaffen.
    Im Herbst 2006 war auch Zach wieder da.
Im Jahr nach unserer Trennung bei Kenwood House hätten wir uns beinahe
verloren. Übrigens hatte er recht behalten, dass George den Heimweg schon
finden würde. Obwohl er es nicht ganz allein schaffte. Er hatte sich auf
der Heide verlaufen, und als er ziellos umherwanderte und es anfing zu regnen,
schloss er sich einer Frau an, die sich unter einen Baum gestellt hatte. Als
sie merkte, dass George allein war, nahm sie ihr Handy und rief mich an, denn
Georges Erkennungsmarke am Halsband trug meine
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