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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
Autoren: Laura Milde
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verfügen, ist das Ergebnis am Morgen wenig beglückend. Was ich dann aber, auf diesem Klo sitzend erlebe, ist so umwerfend schön, so unbeschreiblich, so, ja eben, so unbeschreiblich. Das ist also eine Gotteserfahrung. Ich fühle ein tiefes Geborgensein, eine Wonne, ein „Echt sein“. Davon sprachen Pilger, wenn sie sagten, dass manch einem solch eine Gnade zuteil würde auf dem Weg. Und nun hatte ich solch ein Erlebnis. Ich muss laut lachen. Mir fällt der Satz ein: „Wo ist Gott nicht?!“ Er ist wirklich überall, auch auf diesem dreckigen Klo. Ich lache und habe das Gefühl, Gott lacht mit mir, ein kosmisches Gelächter.

Zuckerbrot und Peitsche
    Es ist der 5. Mai und ich bin heute schon eine Woche unterwegs. Der Weg ist leicht, schmerzfrei und meinen Rucksack spüre ich heute gar nicht. Das wunderbare Erlebnis am Morgen beflügelt mich. Und als würde der Himmel meine heitere, leichte Stimmung teilen, wölbt sich ein Regenbogen über meinen Weg. Ich bin sicher, dass dies eine Bedeutung hat. Ich fühle mich unter Gottes Schutz. Vielleicht entspricht das nicht der Wahrheit, aber ich kann dem Naturschauspiel ja einfach diese Bedeutung geben. Ich erinnere mich an den Satz aus einem Seminar: „Das Leben ist leer und bedeutungslos.“ Und: „Das Leben hat die Bedeutung für Dich, die Du ihm gibst.“ Nun hatte ich dafür ein wunderbares Praxisbeispiel.
    Es sollte mir heute noch helfen, mich an das Gefühl des beschützt seins zu erinnern. Der Weg führt vorbei an wenigen Weinbergen, über Staubstraßen, entlang an endlosen Feldern. Kein Busch, kein Baum, kein ursprüngliches Stück Natur, nur bebaute Felder und Weinberge. Ich erklimme einen steilen Hang und habe einen schönen Blick auf Los Arcos mit seiner Kirche Santa Maria. Nett ist dieser Ort, den ich jetzt über die eine Hauptstraße betrete, die auf den Stadtplatz führt und durch das westliche Stadttor wieder hinaus. Der Weg führt über eine breite Staubstraße. Außer einem Traktor begegnet mir nichts und niemand. Ich gehe vorbei an einigen Ölbäumen, sonst sehe ich nichts als Felder weit und breit. Ich schreite kräftig aus, denn es fängt an zu regnen; mit dicken, platschenden Tropfen, die mich auf der Stelle durchnässen. Ich komme nicht dazu, mein Regenzeug aus dem Rucksack zu holen, geschweige denn, es über meine Wanderkleidung zu ziehen. Aber das ist es nicht, was mich nervös macht. Es ist Gott sei Dank nicht kalt und so stört es mich nicht sehr, nass zu werden. Was mir Sorge bereitet, ist die plötzliche wilde Färbung des Himmels. Ein ungesundes Lila löst das triste Grau ab und schon zuckt der erste Blitz, schnell, zu schnell, gefolgt von einem unnatürlich wirkenden Knall, der mich an eine Explosion erinnert. Und schon befinde ich mich mitten in einem tosenden Gewitter. Blitze blenden mich, so grell zischen sie vom Himmel. Das Donnergrollen macht die unheimliche Stimmung perfekt. Sollte ich mich jetzt flach auf den Boden legen? Mitten in den Matsch? Oder lieber, wie ich gehört habe, zusammengekauert in der Hocke verharren? Weit und breit kein Unterschlupf. Ich erinnere mich an die Schönheit des Regenbogens am heutigen Morgen und denke verdrießlich, wie schnell sich doch alles verändert. Und mit Gott bin ich auch sauer. Ich lamentiere: „Ist das Deine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie, Gott? Erst eine so wunderbare Erfahrung und dann vom Blitz erschlagen? Soll mir das Deiner Meinung nach nichts ausmachen, weil ich dann schneller zu Dir komme?“ Ich habe Angst. Ich laufe. Laufe durch die tiefen Pfützen, dass der Schlamm aufspritzt. Mein Rucksack rumpelt mit seinem ganzen Gewicht schmerzhaft auf meinem Rücken herum. Ich achte nicht darauf. Ich renne gefühlsmäßig um mein Leben.

Die Hexe in Viana
    Ich komme völlig verdreckt und verschreckt in Viana an. Erleichtert stolpere ich in die Herberge. Eine keifende Stimme mahnt mich, sofort die Schuhe auszuziehen. „Na wunderbar!“, denke ich, „ das ist jetzt eine dieser vielbeschriebenen Herbergsmütter, deren eigentlicher Beruf Hexe ist.“ Warum nur Herbergsmütter oft so böse waren? Waren sie „untervögelt“ wie ich das in einem Roman von Kerstin Gier gelesen hatte? Ja, ich weiß, ein boshafter und sehr unheiliger Gedanke. Aber ich bin bedient. Besonders als ich mein mir zugewiesenes Bett in einem winzigen, fensterlosen (!) Raum mit 3-stöckigen (!!!) Betten finde. Nein, das darf doch nicht wahr sein. In diesem Zimmer würden 15 Menschen schlafen ohne Luftzufuhr? Meine
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