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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
Autoren: Laura Milde
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Möglichkeit spreche, sondern auch derart verschiedene Weltbilder mitbekomme. Mit meinem Italienisch und meinem leidlichen Spanisch komme ich hier gut durch. Bei Portugiesisch und den östlichen Sprachen, wie Polnisch und Russisch, muss ich allerdings passen. Wir fuchteln mit Händen und Füßen, deuten auf Gegenstände oder die Wanderkarte und irgendwie verstehen wir uns, egal aus welchem Sprachraum wir kommen.
    Auch die Gründe, den Pilgerweg zu gehen, sind unterschiedlich. Mir begegnen Menschen, die den Weg zum großen Teil betend gehen und keine Pilgermesse auslassen. Dann die sportlichen „Pilger“, die es einfach wissen wollen, was sie zu leisten vermögen. Darunter viele, die den Weg mit dem Fahrrad absolvieren. Und dann die spirituellen Pilger, die auf dem Weg sind, um sich selbst zu finden. Ich gehöre eher zu der dritten Gruppe. Mich fasziniert es, knapp 1000 km zu gehen, ohne große Ablenkung zu haben, auf dem Weg zu sein, mir selbst sehr nah. Manchmal so nah, dass ich mir zeitweise selbst auf die Nerven gehe. Und danke sagen will ich mit meinem Pilgerweg. Danke, dass mein Sohn die vielen Operationen gut überstanden hat, gesund ist und sein Leben selbständig leben kann.
     Es wundert mich, dass ich doch immer mal wieder mit denselben Menschen in einer der Herbergen auf dem Weg zusammenkomme. Jeder hat seinen eigenen Rhythmus. Meiner ist schnell und ich bin schon bekannt auf dem Weg, durch das tock-tock meiner Wanderstöcke und meinen flotten Schritt. Weite Abschnitte der Tagesetappen gehe ich allein. Hat es mir zu Beginn des Weges Angst gemacht, ganz alleine zu gehen, so habe ich mich inzwischen nicht nur daran gewöhnt, sondern ich schätze es auch. Denn es gibt viel, worüber ich nachdenken will. Und manchmal will ich auch einfach gar nicht denken und schon gar nicht reden. Am Abend bin ich dann allerdings froh, andere Menschen zu treffen, gemeinsam zu essen, mich austauschen zu können über den Weg, über die Erlebnisse und die inneren Prozesse, die jeder erlebt, wenn auch jeder sehr verschieden. Ich komme nach Estella, einem Dorf mit mittelalterlich gepflasterten Straßen und einer Herberge, vor der ich Lilly-Marleen treffe. Stürmisch umarmen wir uns. Sie überlegt kurz, ob sie schon hier bleiben soll. Ich freu mich, dass sie sich entschließt, mit mir weiter zu gehen. Ich mag dieses zarte Mädchen so gerne. In Villa Major de Monjardin liegt die nächste Herberge. Diese wird von Holländern geleitet und liegt auf der Anhöhe auf einem traumschönen Platz. Wir bekommen ein Viererzimmer. Lilly-Marleen, Bertl aus München, der „Neue aus Graz“ und ich. Der Grazer, Heinzi, hat sich auch in Lilly-Marleen verliebt. Etwas anders als ich und richtig heftig. Sie wären ein entzückendes Paar. Aber Lilly-Marleen ist zurückhaltend, wenn auch sehr liebenswürdig. Unser Zimmer ist ein Geschenk nach der Riesenherberge in Puente de la Reina, dem Hexenkessel, an dem alle Pilgerwege zusammenführen. Hier kommt so etwas wie Gemütlichkeit auf. Wir werden sogar bekocht und das freut mich ganz besonders. Als Gegengabe sozusagen wird gemeinsam gebetet. Ich finde nicht heraus, welchem Glauben die Herbergseltern angehören und es ist auch egal. Schön ist diese Gemeinschaft und es tut gut, so verwöhnt zu werden. In mein Bücherl schreib ich: „Wundervolle Belohnung!“ Beim gemeinsamen Essen macht Simon, der Herbergsvater, mit Worten ein Bild, das ich gut nachvollziehen kann: „Wir verlangen nach sauberem, lebendigem Wasser. Genauso sollten wir nach sauberen, lebendigen Worten verlangen." Stimmt! In der letzten Herberge war ein Mitpilger, der wütend vor sich hin fluchte, weil ihm etwas nicht passte. Das fühlte sich absolut nicht gut an. Und wenn ich selbst schimpfe wie ein Rohrspatz, bin ich selbst nicht gern mit mir zusammen. Hier ist die Atmosphäre liebevoll und wohltuend.

Wo ist Gott nicht?
     Ich schätze den weiten Blick übers Land aus unserem Fensterl unterm Dach. Ich werde still. Ich bin glücklich. Ich schlafe tief und gut und wache gestärkt und voller Energie an diesem schönen, klaren Morgen auf. Es macht mir nichts, dass die anderen alle schon aufgebrochen sind. Ich lasse mir gerne Zeit, besonders morgens. Nach dem Frühstück, das fürsorglich von den Herbergseltern zubereitet wurde, verabschiede ich mich und danke für diese schöne Erfahrung. Wie immer gehe ich vor dem Aufbruch noch einmal zur Toilette. Das ist dann meist eine nicht so schöne Erfahrung. Wenn zig Pilger über ein einziges Klo
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