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0693 - Höllen-Amazonen

0693 - Höllen-Amazonen

Titel: 0693 - Höllen-Amazonen
Autoren: Martin Barkawitz
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Lieutenant O'Donnell biss sich auf die Lippen. Ali Khalubs Verhalten grenzte an Meuterei. Doch was sollte der Offizier tun? Er dachte nicht ernsthaft daran, den schwarzen Soldaten aufknüpfen zu lassen. Erstens war er kein Unmensch. Zweitens brauchte er jeden Mann. Diese aufständischen Mahdi-Anhänger hatten der britischen Armee im Sudan furchtbare Verluste zugefügt. Und drittens konnte der Offizier die Angst der einheimischen Truppenteile sogar verstehen.
    Der irische Lieutenant Pat O'Donnell hatte als echter Kelte nie den gefühlsmäßigen Kontakt zum mythischen Erbe seiner Vorfahren verloren.
    Und der Offizier spürte nur zu deutlich, dass es hier im Sudan nicht mit rechten Dingen zuging…
    ***
    Winter 1885, südlich von Khartum
    Die kläglichen Reste der A-Kompanie des 3. Ägyptischen Infanterieregiments gönnten sich eine kurze Rast.
    Die Männer ließen sich in einem Wadi, einem ausgetrockneten Flussbett, einfach in den Sand fallen. Sie waren völlig erschöpft von dem hinter ihnen liegenden Gewaltmarsch. Lieutenant O'Donnell hockte sich auf einen Stein und zündete sich eine Zigarette an. Zuvor hatte er noch zwei Wachen Posten beziehen lassen.
    Der irische Offizier nahm den Tropenhelm ab und fuhr sich durch sein rotblondes Haar.
    Wieder erschien dieser abgeschlagene Kopf vor seinem geistigen Auge.
    Die Männer des Mahdi hatten den Oberbefehlshaber von Khartum geköpft und seinen Schädel ihrem Anführer übergeben. General Charles George Gordon, bekannt als »Chinese« Gordon, war tot. So wie ein großer Teil seiner Untergebenen.
    Die übrig gebliebenen britischen Soldaten waren wie eine Horde blutiger Bettler aus der Stadt gejagt worden.
    Der junge Offizier ließ seine Blicke über seine rastenden Männer schweifen. Es waren ausschließlich einheimische Soldaten. Baumlange Nubier, die sich tapfer geschlagen hatten. Aber gegen die entfesselten Derwische des Mahdi hatten sie selbst mit ihren modernen Waffen wenig Chancen.
    Hartnäckig hielt sich das Gerücht, der Mahdi sei kein Mensch aus Fleisch und Blut!
    Dieses Gerede trug natürlich nicht gerade dazu bei, die Kampfmoral der Truppe zu erhöhen…
    Es war früher Abend. Bald würde die afrikanische Nacht hereinbrechen. Nicht allmählich, wie die Dämmerung auf der heimatlichen Grünen Insel. Sondern schlagartig - wie der Schlussvorhang im Theater.
    O'Donnell spähte in die Ferne.
    Sie hatten das fruchtbare Nil-Überschwemmungsgebiet bei Kusu hinter sich gelassen. Dabei mussten sie sich immer wieder verstecken, wenn sie Ortsansässigen begegneten. Denn jeder Einheimische konnte mit dem Mahdi unter einer Decke stecken. Der Aufstand hatte wie eine Brandfackel den ganzen Sudan entflammt. Es gab niemanden, dem man trauen konnte.
    Der irische Offizier bildete sich ein, sogar die Natur würde ihnen die kalte Schulter zeigen. Immer verkarsteter und lebensfeindlicher wurde der Landstrich, in den sie hineinmarschierten.
    Tief in seinem Inneren fühlte O'Donnell eine Unruhe, die weit über die Furcht vor einem Kampf mit einem überlegenen Gegner hinausging. So, als ob er und seine Männer noch mehr verlieren könnten als ihr nacktes Leben.
    Reiß dich gefälligst zusammen, Pat!, rief sich der junge Lieutenant selbst zur Ordnung. Du bist hier der Kommandierende! Die Königin hat dir das Leben dieser Männer anvertraut!
    Das stimmte zwar. Aber es stimmte auch, dass O'Donnell die Offiziersakademie in Sandhurst erst vor sechs Monaten verlassen hatte. Danach war er sofort in den Sudan geschickt worden und gerade einmal acht Wochen hier. Ihm fehlte die Erfahrung. Sowohl, was den Kampf anging, den er bisher nur aus der Theorie und aus Übungen kannte, als auch hinsichtlich von Land und Leuten.
    Der Lieutenant hatte seine Zigarette aufgeraucht. Er löschte die Kippe an einem Stein und steckte sie in die Brusttasche seines Uniformrocks.
    Sie durften keine Spuren hinterlassen auf ihrer schmählichen Flucht.
    Doch im nächsten Moment erkannte der Offizier, dass sie bereits entdeckt worden waren!
    Ein gellender Kriegsschrei ertönte. Ein Schuss aus einer alten Luntenflinte dröhnte. Dann griff sich eine der Wachen an die Brust. Der Soldat ließ sein Gewehr fallen und kippte mit einem blutigen Fleck auf der Uniform nach hinten.
    Und plötzlich waren die Derwische überall.
    Es waren an die hundert Araber in weißen Burnussen. Sie schwangen drohend ihre langen Vorderlader-Flinten und Krummschwerter. O'Donnell konnte dieser Übermacht nicht mehr als seine verbliebenen elf Mann
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