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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
Autoren: Laura Milde
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mich unterwerfen muss. Das ist für meine Revoluzzer-Natur und meinen Freiheitsdrang nicht einfach.
    Ich erkenne jedoch schnell, dass dieses Gebot sehr sinnvoll ist, besonders bei 100 Menschen in einem Schlafsaal. Ich schlafe tief und fest. Ich glaube, ich würde am Stachus in München schlafen können, so erledigt wie ich bin.

Lieber, alter Jakobsweg
    Es ist der 4. Mai 2004. Schon um fünf Uhr rumort es in allen Betten und das Rascheln mit den Rucksäcken nervt. Ich war doch sehr verwöhnt von meinem Weg bisher. Jetzt werde ich mich wohl mit den vielen Pilgern arrangieren müssen. Ich ziehe bereits um sieben Uhr los. So früh bin ich sonst nicht auf den Beinen. Aber es ist gut, denn heute folgt wieder eine lange Etappe. Es geht durch eine Riesenbaustelle. Das ist kaum auszuhalten, der Lärm und der Staub. Ich bin sensibel geworden auf den einsamen Pfaden, mag mir gar nicht vorstellen, dass ich auch ein paar große Städte durchqueren muss auf meinem Weg nach Santiago. Am liebsten würde ich mich nur durch einsame Wälder und Felder schlagen, zwischendurch ein Dorf besuchen, um mit Menschen reden zu können und etwas zu essen zu bekommen. Heute würde es meiner Wunschvorstellung ziemlich nahe kommen. Ich genieße die herrliche Landschaft. Nur einmal muss ich nahe an der N111 gehen, eine viel befahrene Nationalstraße. Ich bin froh, dass mein Pfad sich bald wieder von dem Lärm trennt und ich freue mich über den Blick auf das Dorf Cirauqui, zu dem ich aber noch ziemlich steigen muss. Oben führt der Weg unter dem Rathaus hindurch, es wurde richtiggehend über den Weg gebaut, und in dem dadurch entstandenen Gang stehen Steinbänke und laden zur Rast ein. Von hier aus führt ein grob gepflasterter Weg, eine Römerstraße, steil bergab zum Fluss. Ich überlege mir, wie viele Menschen diesen Weg wohl schon gegangen sein mochten. Und wie lange es schon her ist, dass die ersten „richtigen“ Pilger hier unterwegs waren. Die ersten Pilger hatten keine komfortable Trekkingausrüstung und Wanderstöcke aus Leichtmetall. Sie trugen, so habe ich gelesen, dicke, gewalkte Umhänge aus Schafwolle. Die mussten steinschwer sein, wenn sie vom Regen durchnässt waren. Wenn ich mir auch noch vorstelle, dass die mittelalterlichen Pilger nur eine Kürbiskalabasse für das Wasser mit sich trugen, fühle ich mich schon sehr gut ausgerüstet mit meinem Wassersystem im Rucksack, aus dem ich unterm Gehen aus einem Plastikschlauch trinken kann. Das Regenzeug, das ich über die Hose und den Anorak ziehen kann ist auch aus viel leichterem Material als die weiten Regenumhänge. Aber manchmal wünschte ich mir doch, solch einen Umhang einfach überwerfen zu können. Denn es ist ein ziemlicher Aufwand, bis die Regenhose über Schuhe und Wanderhose gezogen ist. Und ich bin zwischendurch so fertig, dass ich lieber nass werde, als mich umzuziehen.
    Ich bin froh, dass ich die Schmerztabletten mitgenommen habe, die mir Hermann aus Graz gab, den ich in der letzten Herberge kennen gelernt hatte. Da hatte er mir erzählt, dass er solche Probleme mit den Knien habe und gar nicht wisse, wie weit er noch käme. Er hielt das Gehen nur aus, wenn er die Tabletten einnahm. Er bot mir welche an und ich steckte sie sicherheitshalber ein.
    Jetzt bin ich froh darüber, denn meine Hüftschmerzen sind gerade sehr unangenehm. In mein Bücherl schreib ich: „Für mich ist gesorgt!"
    Ich mache Rast in der von „el Americano“ empfohlenen Weise: Ich breite die Isomatte aus und lege mich voll ausgestreckt eine halbe Stunde lang hin. „el Americano“, ein Pilger aus den USA, muss es wissen. Er ist schon quer durch Frankreich gegangen und das alles barfuß in Trekkingsandalen. Jeder bewundert seinen leichten, federnden Schritt. Er ist ein in sich gekehrter junger Mann, mit eigenartigen Ansichten, die er, wortkarg wie er ist, nur manches Mal in eine abendliche Unterhaltung einstreut. Er hat düstere Vorstellungen vom Leben und irgendwie scheint es nicht zu passen, dass er diesen Pilgerweg geht. Noch dazu dermaßen weit. Ich versuche, ihn zu verstehen. Sein Englisch verstehe ich besser als seine Ansichten. Mein Missionarsgeist erwacht und ich würde ihm zu gerne ein wenig Heiterkeit vermitteln. Er scheint mein Interesse an seinen Ideen zu schätzen, auch wenn er an seiner Weltuntergangsstimmung festhält.
    Das ist mir ein willkommener Aspekt dieser Pilgerreise, dass ich nicht nur so verschiedene Menschen kennenlerne, unterschiedlichste Sprachen höre und nach
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