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Monkeewrench - 03 - Mortifer

Monkeewrench - 03 - Mortifer

Titel: Monkeewrench - 03 - Mortifer
Autoren: P. J. Tracy
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KAPITEL 1
    Viel war nicht mehr übrig von der kleinen Ortschaft Four Corners seit jenem 17. Oktober 1946, dem Tag, an dem Hazel Kruegers Vater die Whitestone Lodge in Brand gesteckt hatte und nackt durch die Flammen getanzt war, in einer Art trauriger Wiedergutmachung für all die Dinge, die er in der Normandie gesehen und getan hatte.
    Nicht, dass Four Corners vorher eine blühende Metropole gewesen wäre – eher eine winzige offene Ansammlung von Farmen und Wohnhäusern in den nördlichen Wäldern Wisconsins, wo jemand versehentlich einen See hingesetzt hatte –, doch ohne die Lodge und die kleine Karawane von Sportanglern, die Sommer für Sommer den weiten Weg von Milwaukee und Madison hierher auf sich nahmen, war die Stadt sozusagen auf sich allein gestellt und fing an, an allen Ecken zu verwildern.
    Zu der Zeit, als Tommy Wittig geboren wurde, war der einstige Weg zu den Häusern der Lodge, der den Asphalt der Countystraße gekreuzt hatte, längst wieder im Wald verschwunden. Es war gerade eine Woche her, dass Tommy, inzwischen kurz vor dem achten Geburtstag, mit der ernsthaften Nachdenklichkeit eines Einzelkindes laut überlegt hatte, wieso der Ort Four Corners genannt wurde, wo er doch eigentlich nur zwei Ecken besaß.
    Großvater Dale hatte ihm daraufhin die Geschichte erzählt. Er war mit Tommy zum Whitestone Lake spaziert und hatte seinem Enkel die verfallenen Überreste einer Ziegelmauer gezeigt, die einst das Fundament der alten Lodge umrahmt hatte.
    »Wenn du die Augen offen hältst hier in den Wäldern«, hatte er gesagt und mit dem abgekauten Ende seiner Bruyèrepfeife – die er seit wenigstens dreißig Jahren nicht mehr angezündet hatte, weil er ständig über dem ein oder anderen Motor hing und befürchtete, dass ihm der Kopf wegfliegen könnte – eine ausladende Geste gemacht, »dann erkennst du noch heute das Loch, das das Feuer damals in die Landschaft gefressen hat, als es von der Lodge auf die Bäume übergesprungen ist. Wahrscheinlich wäre der ganze gottverdammte Staat niedergebrannt, wenn es nicht angefangen hätte zu regnen.«
    Tommy hatte staunend zugehört und sich gefragt, wo er wohl geboren worden wäre, wenn Wisconsin an jenem Tag tatsächlich vollständig abgebrannt wäre, und ob die Flagge mit neunundvierzig statt fünfzig Sternen darauf komisch aussehen würde.
    »Wenn du wie ein Falke fliegen könntest, würdest du heute noch einen zwanzig Hektar großen Kreis aus nachgewachsenem Wald sehen, voll mit dichtem Dornengestrüpp, das sich auf Schritt und Tritt in deinen Schnürsenkeln verfängt. Daran ist das Feuer schuld, und ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern gewesen. Es hat diesen Ort hier umgebracht, das hat es. Steinalte, zwanzig Meter hohe Weymouthkiefern sind in Flammen aufgegangen wie Kerzen auf einem Geburtstagskuchen.«
    »War er wirklich nackt?«, hatte Tommy gefragt, indem er sich auf jenen Teil der Geschichte konzentrierte, der ihm am bemerkenswertesten erschien. Großvater Dale hatte gelacht und ja gesagt, in der Tat, Mr. Everett Krueger wäre so nackt gewesen wie am Tag seiner Geburt.
    »Hat die alte Hazel ihn so gesehen?« Hazel führte das Café direkt neben der Tankstelle von Großvater Dale – das einzige andere Geschäft, das es in Four Corners noch gab –, und sie war mindestens hundert Jahre alt, soweit Tommy es beurteilen konnte.
    Das war der Moment gewesen, in dem Großvater Dale sich hingehockt und Tommy direkt in die Augen gesehen hatte, wie er es immer machte, wenn irgendetwas richtig wichtig war und er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Jungen erreichen wollte.
    »Wir reden nicht über dieses Feuer, wenn Hazel in der Nähe ist, verstehst du, Tommy? Sie war damals kaum älter als du heute, als ihr Daddy durchgedreht ist und diese schlimme Sache gemacht hat. Sie war dabei. Ein kleines Mädchen, das durch ein Loch in die Hölle gestarrt hat und zusehen musste, wie sein Daddy zu einem schwarzen Klumpen verbrannt ist. Kannst du dir das vorstellen, Tommy?«
    Tommy hatte fast eine Woche lang versucht, sich das vorzustellen – vergeblich. Es gelang ihm immer noch nicht, sich Hazel Krueger als ein kleines Mädchen vorzustellen, geschweige denn als eines, das eine solche Tragödie erlebt hatte.
    Er hockte im Sattel seines alten Fahrrads auf der Straße gegenüber dem Café, starrte durch die große Scheibe und beobachtete Hazels breiten, gebeugten Rücken über dem Grill hinter dem Tresen. Selbst durch die staubverschmierte Scheibe hindurch
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