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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien
Autoren: Laura Milde
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wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Mit solch einem Begeisterungssturm hatte er wohl nicht gerechnet.
    Ich hüpfe die Bergstraße hinunter und freue mich des Lebens. Zumal es aufgehört hatte zu regnen.

Einsam in den Badlands
    Es gibt jedoch „sieben Plagen“. Ich habe Durchfall. Alle Nase lang muss ich im Gebüsch verschwinden. Dadurch verliere ich meine Mitpilger. Und auf diesem Teil des Jakobswegs, noch dazu Ende April, sind keine weiteren Pilger unterwegs. Ich gehe durch die Wildwest-Kulissen der Badlands und fühle, was Einsamkeit bedeutet. Eigenartige Fels-Formationen türmen sich am Wegesrand. Sie sehen aus wie riesige, graue Kieshaufen. Ich steche mit meinem Wanderstock hinein und erwarte, dass der Kies herunter rieselt. Aber es ist alles harter, grauer Stein. Es macht mich wütend. Ich weiß nicht, warum. Meine Emotionen gehen mit mir durch und ich schimpfe und fluche vor mich hin. Sehr passend hier auf dem Weg des Heiligen Santiago. Wahrscheinlich überspiele ich mit der Wut und dem lauten Schimpfen die Angst, die mich jetzt packt, so allein, in dieser unfreundlichen Gegend. Sollte mir hier etwas zustoßen, niemand würde mich finden. Jedenfalls nicht vor morgen.
    Ich wage nicht zu rasten, weil ich befürchte, nicht rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit in der Herberge in Ruesta anzukommen. Ich gehe schnell, haste vorwärts, als wäre der Teufel hinter mir her. Der Rucksack hüpft auf meinem Rücken und ich versuche, nicht an das Gewicht und meine schmerzenden Schultern zu achten. Als ich das verlassene Städtchen Ruesta erreiche, verlassen mich auch die Kräfte. Wieder führt eine steile Straße hoch zur Herberge. Ich kann nicht mehr. Ich lege mich an den Straßenrand und strecke meine schmerzenden Füße aus. Ich habe gleich zweimal Glück. Einmal, weil die abendliche Sonne sanft scheint und einmal, weil Leandro, el Brasilero die Straße herunter gehüpft kommt und mir meinen Rucksack abnimmt. Meine Lektion für heute: „Ich darf vertrauen!“ Nur die Weisheit: „Der Weg ist das Ziel“ lebe ich noch nicht. Mein Ziel ist momentan noch das jeweils nächste Refugio, bei dem ich einfach nur heil ankommen will.
    Ruesta ist eine Idylle mit einer traumschönen Herberge mit Terrasse, wo wir uns in der Abendsonne die Erlebnisse des heutigen Tages erzählen. Wir philosophieren über Gott und die Welt und einen Gedanken vom Herbergsvater habe ich mir in mein Büchlein geschrieben: „Handle so, dass die Maxime Deines Wollens jederzeit zur allgemeinen Gesetzgebung gemacht werden könnte.“ Ich versuche heute Abend nicht mehr, diesen Gedanken ganz zu verstehen und freu mich auf meinen Schlafsack und das Land der Träume.

Lilly-Marleen
    Es ist der erste Mai. Ja, wo kommen denn die Pilger auf dem Weg auf einmal her? Da ist dieser riesige Bär von einem Mann, den wir nur „den Großen“ nennen und die Lilly-Marleen, in die ich mich sofort verliebe. Das zarte junge Mädchen hat einen aufgeweckten Verstand und eine ganz liebevolle Art. Dabei ist sie robust und zäh und ihr zu begegnen ist eine absolute Bereicherung auf meinem Weg. Wir kommen schon am frühen Nachmittag in Sangüesa an. Es ist heute nur eine kurze Tour von 21 km gewesen, die wir in sechs Stunden geschafft haben. Hier in Sangüesa scheint man den ersten Mai genauso zu feiern wie bei uns. Alles hat zu. Nicht einmal die Tankstelle am Ende des Ortes hat geöffnet. Und wir haben Hunger! Großen Hunger! In der Herberge gibt es tatsächlich eine komplett eingerichtete Küche, jedoch keine Lebensmittel. Nach längerem Suchen schreit der Große, er habe was gefunden! „Ich koche für uns alle.“ Er lässt keinen in seinen Topf gucken und wir sind alle unglaublich gespannt, was er denn auftischen würde. Und dann kommt er an den Tisch mit dem riesigen Topf dampfenden Etwas. Er stellt Suppenteller zurecht und teilt dann seine Köstlichkeit aus: eine Suppe aus Wasser, Reis und kleinen Nudeln mit Salz. Es schmeckt einfach köstlich! Wir applaudieren dem Koch und die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, wie bei einem Trinkgelage. Wir schaffen das mit Wasser und Wasser-Reis-Nudel-Suppe. Wir lachen und singen Lieder von Heino und Heintje’s „Mamaaaaa“. Schrecklich schön! Es treffen noch zwei weitere Pilger ein. Martinez mit der sonoren Stimme und der „brave Junge“ Stefan, der den Jakobsweg rückwärts läuft. Er war also schon in Santiago de Compostela und geht jetzt alles zu Fuß wieder zurück. Ihn löchern wir, wie es nun
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