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Und wir scheitern immer schöner

Titel: Und wir scheitern immer schöner
Autoren: Dirk Bernemann
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ein Geräusch nach meinem Schlag.
     
    Ich wurde oft auch als Ordner eingesetzt bei Demos. Auftraggeber NPD. Die eigenen Jungs im Zaum halten. Aber Disziplin hatten sie meistens im deutschen Blut. In Reih und Glied marschierten wir durch Metropolen und Zwergenstädte. Trommler. Fahnenschwenker. Linientreue Kumpels. Kameraden mit Blick in meine Richtung, die Interesse an meinem Fortbestehen zu haben schienen.
     
    Außerdem war ich Wahlkampfhelfer oben genannter Partei in Sachsen. Für den Wahlerfolg wurden wir reichlich belohnt, aber auch danach war Politik nichts für mich. Die Straße, auf der ich gehe, ist meine Heimat.
     
    Dann wurde mir weiterer Aktionismus angeboten. Was wegsprengen. Ein linkes Jugendzentrum, in dem Nahostler und Linkswichser sich gegenseitig Sex und Drogen anbieten. Schwule Judennigger allerorts. So ist es mir gesagt und angetragen worden. Da war ich dabei, das Ding zu zertreten. Um Ordnung in meinem Kopf zu haben, musste ich Ordnung in meinem Umfeld schaffen, und aus lauter Dankbarkeit für die zwischenmenschliche Zärtlichkeit der Auftraggeber ging ich mit und leider ...
     
    ... dabei auch den Bullen ins Netz. Alle Waffen und Sprengeinheiten wurden bei mir gelagert. Und bei uns war ein V-Mann von den Bullen eingestiegen. Unbemerkt von jedem. Mein Hocharbeiten hatte ein Ende, und die Polizei kam eines Morgens in mein Zimmer. Sie fanden alles, und alles war verboten. Nahmen mir meine Fahnen, meine Musik, die ganzen Waffen und den Plan zum Wegsprengen mit.
     
    Was man nicht alles weiß, wenn man's vorher erfährt, nicht wahr? Aber ich habe ja kein Gewissen, nicht mal ein schlechtes.
     
    Mad in Germany. Verrückt nach Deutschland sei ich, war der Richterspruch. Der Richter, der keinen Deut verstand, von dem, was ich wirklich bin.
     
    Ich kam in den Knast, und keiner meiner alten Kameraden sah nach mir. Saueinsam. Fast verreckend an der Saueinsamkeit, weil da doch kurz vorher was war, was mich lebendig hielt. Keiner kam. Nur mal ein Brief. Ich sei raus. Und sollte gefälligst die Schnauze halten über weitere Interna. Ich wusste aber einen Scheiß. Da mir Politik immer noch am Arsch vorbeigeht, habe ich mich ja auch nie für die um mich existierenden Zusammenhänge gekümmert. Mir fehlten die Menschen, nicht das, was sie taten oder dachten. Ideologien dringen nicht in mein Bewusstsein, weil ich sie eh idiotisch finde.
     
    Die Knastzeit plätscherte so dahin. Mir kamen keine neuen Gedanken. Freundschaften hätte ich gerne gehabt. Bedingungslose Menschen um mich, die mich nehmen, wie ich bin. Ich war unauffällig.
     
    Im Bau lernte ich dann Martin und Bernhard kennen. Unternehmer seien sie, sagten sie. So Leute, die Fahrgeschäfte aufbauen. Die herumreisen von Kirmes zu Kirmes. Dinge, die sich drehen und leuchten, faszinieren mich seit meiner Kindheit.
     
    Mit den beiden verstand ich mich gut und sie verstanden mich. Wir hatten alle keine Meinungen zu irgendwas. Das war gut und unsere Gespräche waren belanglos. Irgendwann legten wir fest, dass ich dabei sei. Der neue junge Mann zum Mitreisen und Anpacken.
     
    Nach meinem Knastaufenthalt und dem Abschluss mit meiner persönlichen Neonazitragik wurde ich dann also Schausteller. Kirmestypen sind grobmaschige Menschen und ich fand schnell Kontakt. Die Belanglosigkeit der Geräte. Verdrahten, schleppen, fluchen, saufen. Alles klar. Hier war heimatlich gut.
     
    Martin und Bernhard gehörte ein Kettenkarussell. Und ich zum Aufbauteam. Und den beiden meine Freundschaft. Ich merkte, dass meine Hände doch geschickter waren, als ich dachte. Grob- und Feinmotorik und gnadenloses Überlegen waren vonnöten, und anfangs war es schwer, aber Martin und Bernhard gaben sich mit mir viel Mühe. Die Ketten am Karussell zu entwirren war eine meiner ersten Aufgaben.
     
    Es fand vollständige soziale Integration statt und ich fand die Freiheit im Kettenkarussell.
     
     
     
     
     
    Sex und Gegensex
     
     
    Dem Manne meines Alters wurde traditionsmäßig ins Denken gepflanzt: Haus bauen, Kind zeugen, Baum pflanzen. Hab ich alles getan und doch ist alles anders als gut. Vielleicht bin ich zu traditionell für mich selbst? In meinem Kopf explodieren fröhlich Fragen. Außerdem drehe ich mich.
     
    Denn meine Söhne und ich besuchen die Kirmes. Wir zirkulieren um einen Metallstamm, nur jeweils von vier Ketten gesichert. Wir schweben überirdisch und meine Kinder freuen sich. Ich bin traurig, weil sie nicht die Wahrheit über mich wissen. Die beiden sind noch
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