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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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frischen Flocken auf dem Fensterbrett zu Kaskaden von pulvrigem Weiß. Auf ihren Wanderungen zwischen den beiden Zimmern blieb Simone jedes Mal bei Van Leeuwen stehen und fragte: »Wann fahren wir denn ?«
    Am frühen Nachmittag hielt er es in der Wohnung nicht mehr aus. »Jetzt gehen wir erst mal spazieren«, sagte er. »Was hältst du davon?«
    Sie runzelte die Stirn. »Mein Bein.«
    »Dein Bein ist wieder völlig in Ordnung«, sagte Van Leeuwen. »Schnee«, sagte sie, »glatt.«
    »Ich pass schon auf«, sagte er. Geduldig wartete er, bis sie den Simone-Winterlook zusammengestellt hatte, dann half er ihr die enge Treppe hinunter. Auf der Straße hängte sie sich bei ihm ein, und er hielt sie, während sie langsam die Straße hinaufgingen bis zur Prinsengracht.
    »Wo gehen wir hin ?«, fragte Simone.
    »Den Wagen holen«, sagte er.
    Auf halber Strecke zum Jordaan Garten hörte es auf zu schneien, und die Sonne kam heraus. Das dünne Eis auf den Stämmen und Ästen der Ulmen schmolz; für kurze Zeit brannte die Borke in scharfem Glanz. Es war kalt im Schatten, aber warm in der Sonne. Nach einiger Zeit verschwand die Sonne wieder. Nur ein fuchsroter Fleck tief am Dezemberhimmel zeigte noch, wo sie stand, undNebel legte sich auf die Grachten. Der Nebel war kälter als die Luft, und etwas später begann es wieder zu schneien. Ein schwacher Wind trieb den Schnee in körnigen Schleiern über das Pflaster. Die klamme Luft presste Van Leeuwens Gesicht zusammmen. Seine Augen begannen zu tränen.
    Ein Zeichen, dachte er. Wann hatte es in Amsterdam je so lange geschneit, und wann war der Schnee auch noch liegen geblieben ?
    Simone las die Namen der Hausboote auf der Gracht und murmelte sie vor sich hin: »Firenze, Picasso, Proust, Shangri La ... « Als sie das Europarking gegenüber vom Präsidium erreicht hatten, war noch nicht genug Zeit vergangen, um den Wagen zu holen, und deshalb gingen sie trotz der Kälte weiter zum Park.
    Im Park türmte sich der Schnee in weißen Wechten um das Vondel-Denkmal, und das Eis der Seen spiegelte den grauen Himmel. Eis, dachte Van Leeuwen, Schneewechten. Der Ausnahmezustand, nie da gewesen, außer auf Gemälden.
    Die Stahlkufen der Schlittschuhläufer schimmerten in dem diesigen Licht wie poliertes Blei. Van Leeuwen und Simone blieben fast den ganzen Nachmittag im Park, bis ihm zu kalt wurde und er sie in ein Café führte. Sie fanden einen Tisch am Fenster, gleich neben der Heizung. An der Regenrinne über dem Fenster hingen Eiszapfen nebeneinander wie Orgelpfeifen.
    Van Leeuwen trank ein Glas Rotwein, und Simone bekam eine heiße Schokolade. Das Café war voll, aber keiner der anderen Gästen nahm Notiz von ihnen. Simone trank die Schokolade in kleinen Schlucken, lächelte ziellos und sagte: »Muss nach Hause, muss fertig packen.«
    »Gleich«, sagte Van Leeuwen. Er wünschte, der Tag wäre schon vorüber. Je länger er dauerte, desto düsterer wurde seine Stimmung. Die verstreichende Zeit legte sich auf ihn wie ein graues Tuch. Er aß zwei Scheiben Toast und einen Teller gebackene Muscheln, und es war vier Uhr. Er bestellte noch ein Glas Rotwein und ein Stück Kuchen für Simone, und an den Nebentischen wechselten mehrmals die Gäste, und es war fünf Uhr. Er ging zur Toilette, wusch sich die Hände, und dann brachte er Simone zur Toilette, und sie kam sehrlange nicht heraus, und als sie herauskam, wusch er ihr die Hände, und als er das nächste Mal auf die Uhr sah, war es sechs Uhr.
    Er winkte einer Kellnerin, um zu bezahlen. Die Kellnerin hielt ein Tablett mit leeren Cocktailgläsern in der Hand. Sie stellte das Tablett auf den Tisch und addierte die Rechnung auf einem Papierblock. In den Gläsern war noch etwas zerstoßenes Eis, eine halbe Orangenschale, etwas Minze und ein kleiner zusammengefalteter Papierschirm.
    Als die Kellnerin das Tablett wegnehmen wollte, stieß Simone einen hellen Laut des Protests aus und griff nach dem roten Papierschirm. »Mitnehmen«, sagte sie.
    Die Kellnerin zuckte mit den Schultern. Van Leeuwen stand auf und half seiner Frau in Mantel, Mütze und Handschuhe, bevor er sie zur Tür bugsierte. Er wollte ihr den Papierschirm in die Manteltasche stecken, aber sie hielt ihn fest. »Erwartest du Regen ?«, fragte er.
    Sie traten in den kalten, dunklen Winterabend. Der Schnee fiel in großen, schweren Flocken vom Himmel. Simone spannte den winzigen Schirm auf und hielt ihn hoch. »Schnee«, antwortete sie.
    Noch eine Erinnerung, dachte er, als er sah, wie sie
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