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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
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das Gesicht voller
Bartstoppeln, die Kleider verschmutzt und zerknittert, die
Augen aufgerissen, die Pupillen erweitert. Er hielt ein
Gewehr in den Händen, und ich sah, wie er den Lauf nur
ein klein wenig zur Seite richtete und dann den Abzug
betätigte.
Ich hörte einen ohrenbetäubenden Knall, Lynns
entsetzten Aufschrei und das dumpfe Aufschlagen von
Drexels Körper auf dem Parkett. Drei Tote! Das war alles,
was ich denken konnte. Drei Tote in Greenwood Lake; drei in diesem Zimmer. Ich werde sterben!
»Bitte,« jammerte Lynn, »bitte!«
»Nein. Warum sollte ich dich leben lassen?«, fragte er.
»Ich hab alles gehört. Du bist nichts als Dreck.«
Er hob sein Gewehr. Ich bedeckte mein Gesicht mit den
Händen.
»Bi…«
Wieder hörte ich den lauten Knall, roch das verschmorte
Pulver und wusste, dass Lynn tot war. Jetzt war ich an der
Reihe. Jetzt wird er mich töten, dachte ich und wartete auf
den Schuss.
»Steh auf.« Er rüttelte an meiner Schulter. »Mach schon.
Wir nehmen deinen Wagen. Du hast Glück. Du darfst
noch eine halbe Stunde oder so länger leben.«
Ich rappelte mich hoch. Ich zwang mich, nicht auf die
Couch zu schauen. Ich wollte Lynns Leiche nicht sehen.
»Vergiss deine Handtasche nicht«, sagte er mit
gespenstischer Ruhe.
Sie lag auf dem Boden neben dem Sessel, in dem ich
gesessen hatte. Ich bückte mich und hob sie auf. Dann
packte mich Cooper am Arm und drängte mich Richtung
Küche. »Mach die Tür auf, Carley«, befahl er.
Er zog sie hinter uns zu und schubste mich auf die
Fahrerseite des Wagens.
»Steig ein. Du fährst.«
Er schien zu wissen, dass ich den Wagen nicht
abgesperrt hatte. Hatte er mich beobachtet? O Gott, warum
bin ich hergekommen? Warum habe ich seine Drohung
nicht ernst genommen?
Er ging um die Vorderseite des Autos herum, ohne mich
aus den Augen zu lassen, das Gewehr immer im Anschlag.
Er setzte sich auf den Beifahrersitz. »Mach die
Handtasche auf und nimm die Wagenschlüssel raus.«
Ich fummelte an dem Verschluss herum. Meine Finger
fühlten sich wie taub an. Ich zitterte am ganzen Körper
und hatte Schwierigkeiten, den Schlüssel in das
Zündschloss zu stecken.
»Fahr diese Straße hier runter. Die Nummer für das Tor
ist zwei-acht-null-acht. Wenn wir dort sind, gibst du sie
ein. Hinter der Einfahrt biegst du rechts ab. Falls die
Bullen irgendwo rumstehen, mach ja keine Dummheiten.«
»Bestimmt nicht«, flüsterte ich. Ich brachte kaum die
Worte heraus.
Er duckte sich, sodass sein Kopf von außen nicht zu
sehen war. Aber als sich das Tor öffnete und ich auf die
Straße fuhr, erblickte ich weit und breit keine anderen
Autos.
»An der Ecke links ab.«
Als wir auf der Höhe des Herrenhauses waren, sah ich
einen Streifenwagen langsam daran vorbeifahren. Ich
schaute stur geradeaus. Ich wusste, dass Ned Cooper ernst
meinte, was er gesagt hatte: Wenn sie uns zu nahe kämen,
würde er sie und mich erschießen.
Cooper verharrte die ganze Zeit tief in seinen Sitz
versunken, das Gewehr zwischen den Beinen. Er sprach
nur, wenn er mir Befehle gab, wie ich fahren sollte. »Da
hinten rechts. Hier links ab.« Dann sagte er plötzlich mit
einem gänzlich anderen Klang in der Stimme: »Es ist
vorbei, Annie. Ich mach mich jetzt auf den Weg.
Bestimmt freust du dich schon, Schatz.«
Annie. Seine verstorbene Frau, dachte ich. Er redete mit
ihr, als ob sie mit im Auto säße. Wenn ich versuchte, mit
ihm über sie zu reden, wenn er merkte, dass ich Mitleid
mit ihnen hatte, dann hätte ich vielleicht noch eine
Chance. Vielleicht würde er mich dann nicht töten. Ich
wollte leben. Ich wollte ein Leben mit Casey. Ich wollte
noch ein Kind.
»Links ab, dann eine Weile geradeaus.«
Er vermied die Hauptstraßen und umging alle Stellen,
wo sich eventuell Polizeistreifen aufhalten könnten.
»Hören Sie zu, Ned«, begann ich. Meine Stimme zitterte
so, dass ich mir auf die Lippen biss bei dem Bemühen, sie
unter Kontrolle zu bekommen. »Ich habe gestern im
Fernsehen gehört, wie die Leute über Annie geredet
haben. Alle haben sie gern gehabt.«
»Du hast nicht auf ihren Brief geantwortet.«
»Ned, wenn ich ein und dieselbe Frage von vielen
Lesern gestellt bekomme, dann beantworte ich sie
meistens, ohne einen bestimmten Leser zu nennen, weil
das den anderen gegenüber nicht fair wäre. Ich bin mir
ganz sicher, dass ich Annies Frage beantwortet habe, auch
wenn ich ihren Namen nicht erwähnt habe.«
»Ich weiß nicht.«
»Ned, ich habe auch Aktien von
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