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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
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dort oben.
    Es war noch nicht neun Uhr, als die Gemeinde aus der
Kirche herausströmte. Ich fühlte nach wie vor eine innere
Unruhe und lief zum Central Park. Es war ein wunderschöner Aprilmorgen, der einen Tag mit viel Sonnenschein und blühenden Bäumen ankündigte. Viele Menschen waren schon unterwegs. Sie gingen spazieren oder
fuhren auf Inlineskates oder auf Fahrrädern durch den
Park. Andere saßen auf Decken im Gras und machten es
sich zum Sonnenbaden bequem.
    Ich dachte an die Menschen in Greenwood Lake, die
letzte Woche noch gelebt hatten und jetzt tot waren. Hatten sie eine Vorahnung gehabt, dass ihre Zeit ablief? Bei
meinem Vater war es so gewesen. Er ging noch einmal
zurück und küsste meine Mutter, bevor er zu seinem
täglichen Morgenspaziergang aufbrach. Das hatte er nie
zuvor getan.
    Warum dachte ich jetzt an diese Dinge?
Ich wünschte mir, dass der Tag schon vorüber wäre, dass
ich die Zeit einfach verschwinden lassen könnte bis heute
Abend, wenn ich mich mit Casey treffen würde. Wir
passten zueinander. Wir wussten es beide. Aber warum
überkam mich heute diese unsägliche Traurigkeit, wenn
ich an ihn dachte, als ob wir in unterschiedliche
Richtungen auseinander strebten, als ob unsere Wege sich
erneut trennen würden?
Ich machte mich auf den Rückweg, betrat auf halbem
Weg einen Coffee Shop und bestellte einen Kaffee und
einen Bagel. Das munterte mich etwas auf, und als ich sah,
dass Casey bereits zweimal angerufen hatte, munterte
mich das noch mehr auf. Er war gestern Abend mit einem
seiner Freunde, der dort feste Logenplätze hatte, zu einem
Spiel der Yankees gegangen, deshalb hatten wir nicht
miteinander telefoniert.
Ich rief ihn an. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht«,
sagte er. »Carley, dieser Cooper ist immer noch irgendwo
da draußen, und er ist gefährlich. Vergiss nicht, dass er
dreimal Kontakt zu dir aufgenommen hat.«
»Ach, denk dir nichts. Ich halte die Augen auf«, sagte ich.
»Er ist jedenfalls bestimmt nicht in Bedford, und ob er in
Greenwich auftaucht, möchte ich bezweifeln.«
»Ja, du hast Recht. Ich glaube auch nicht, dass er nach
Bedford gefahren ist. Es ist viel wahrscheinlicher, dass er
in New York Ausschau nach Lynn Spencer hält. Die
Polizei in Greenwich überwacht das Haus der Barlowes.
Wenn er Nick Spencer die Schuld am Misserfolg mit dem
Impfstoff gibt, könnte er verrückt genug sein, es auf Nicks
Sohn abgesehen zu haben.«
Der Krebsimpfstoff ist kein Misserfolg, wollte ich Casey
antworten, aber ich konnte nicht, nicht am Telefon, nicht
jetzt.
»Carley, ich habe nachgedacht. Ich könnte dich heute
Nachmittag nach Bedford fahren und draußen auf dich
warten.«
»Nein«, sagte ich schnell. »Ich habe keine Ahnung, wie
lange ich mit Lynn reden werde, und du musst rechtzeitig
bei der Party sein. Ich werde nachkommen. Casey, ich
kann es dir im Moment nicht ausführlicher erzählen, aber
ich habe gestern einige wichtige Dinge erfahren. Ich weiß
von schwer wiegenden Verfehlungen und kann nur hoffen,
dass Lynn nichts damit zu tun hat. Wenn sie irgendetwas
auch nur vermutet, dann ist es allerhöchste Zeit für sie,
auszupacken. Ich muss versuchen, sie davon zu überzeugen.«
»Bitte sei vorsichtig.« Danach wiederholte er die Worte,
die ich neulich am Abend zum ersten Mal aus seinem
Munde gehört hatte: »Ich liebe dich, Carley.«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte ich.
Ich duschte, wusch mir die Haare und achtete mehr als
sonst auf mein Make-up. Ich hatte einen blassgrünen
seidenen Hosenanzug aus dem Schrank geholt und
bereitgelegt. Der Anzug war eines meiner Outfits, in dem
ich mich wohl fühlte und über den andere mir auch schon
gesagt hatten, dass ich gut darin aussähe. Ich beschloss,
die Kette und die Ohrringe, die ich normalerweise zu
diesem Anzug trug, zunächst in meine Handtasche zu
stecken. Sie schienen mir zu festlich für das Gespräch zu
sein, das mir mit meiner Stiefschwester bevorstand.
Stattdessen legte ich einfache goldene Ohrringe an.
Um Viertel vor zwei stieg ich in meinen Wagen und fuhr
nach Bedford. Um zehn vor drei klingelte ich, und Lynn
betätigte den Öffnungsmechanismus der Einfahrt. Wie
schon letzte Woche, als ich das Ehepaar Gomez interviewt
hatte, fuhr ich an den Überresten des Herrenhauses vorbei
und parkte vor dem Gästehaus.
Ich stieg aus, ging zur Haustür und klingelte. Lynn
machte mir auf. »Komm rein, Carley«, sagte sie. »Ich
habe dich schon erwartet.«
51
    UM ZWEI
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