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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
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mich, was da gespielt wird.«
»Das werden wir gleich herausfinden«, sagte Ned. »Ich
hab noch den Schlüssel zur Küchentür. Lass uns
reingehen.«
52
    LYNN WAR WIRKLICH EINE SCHÖNE FRAU.
Normalerweise trug sie ihre Haare zurückgekämmt und im
Nacken hochgesteckt, aber heute fielen einzelne lose
Strähnen auf ihre Schultern und rahmten ihr Gesicht ein,
setzten goldblonde Farbtupfen, die die eisige Kühle ihrer
kobaltblauen Augen milderten. Sie hatte eine perfekt
geschnittene weiße Seidenhose und eine weiße
Seidenbluse an. Meine Sorge, ich könnte für unser
Gespräch zu festlich angezogen sein, wurde nicht von ihr
geteilt. Als Schmuck trug sie eine schmale, mit Brillanten
besetzte Goldkette, goldene Ohrringe mit Brillanten und
den Ring mit dem Solitärdiamanten, der mir schon bei der
Aktionärsversammlung aufgefallen war.
    Ich machte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen, und
sie sagte etwas von einem Cocktail bei Nachbarn, zu dem
sie später gehe. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer. Letzte
Woche war ich schon in diesem Raum gewesen, aber ich
hatte nicht vor, ihr das zu sagen. Ich war mir sicher, dass
sie mir meinen Besuch bei Manuel und Rosa Gomez übel
nehmen würde.
    Sie setzte sich auf die Couch und lehnte sich zurück, um
anzudeuten, dass sie nichts weiter als einen kurzen,
entspannten Plausch erwarte. Sicherlich, ich wollte im
Moment nichts trinken, nicht einmal Wasser, aber dass sie
nicht die geringsten Anstalten machte, mir etwas
anzubieten, fasste ich als stille Aufforderung auf, zu
sagen, was ich zu sagen hatte, und schnell wieder zu
verschwinden.
    Du bist am Zug, dachte ich, und holte tief Luft. »Lynn,
dies wird kein einfaches Gespräch werden und, ehrlich
gesagt, die Tatsache, dass meine Mutter mit deinem Vater
verheiratet ist, ist der einzige Grund, weshalb ich
hergekommen bin und dir helfen will.«
    Sie sah mich prüfend an, dann nickte sie. So weit wären
wir also einig, dachte ich und fuhr fort: »Ich weiß, dass
wir beide uns nicht besonders mögen, und das ist auch in
Ordnung so, aber du hast unsere familiäre Verbindung –
wenn man das so nennen kann – dazu benutzt, mich zu
deinem Sprachrohr zu machen. Du warst die trauernde
Witwe, die keine Ahnung davon hatte, wozu ihr Mann
fähig gewesen sein soll, du warst die Stiefmutter, die
Sehnsucht nach ihrem Stiefsohn hatte. Du hattest deinen
Job verloren, deine Freunde, du hattest angeblich fast kein
Geld mehr. All das war eine einzige Lüge, habe ich
Recht?«
»Meinst du wirklich, Carley?«, sagte sie höflich.
    »Ja, das meine ich. In Wirklichkeit war dir das Schicksal
von Nick Spencer vollkommen gleichgültig. Das Einzige,
was gestimmt hat von all dem, was du mir erzählt hast,
war, dass er dich nur geheiratet hat, weil du seiner ersten
Frau ähnlich siehst. Das, glaube ich, ist die Wahrheit.
Aber, Lynn, ich bin hergekommen, um dich zu warnen. Es
wird staatsanwaltschaftliche Ermittlungen darüber geben,
warum es urplötzlich zu diesem Problem mit dem
Impfstoff kam. Inzwischen weiß ich nämlich, dass der
Impfstoff wirksam ist – ich habe gestern den lebenden
Beweis dafür gesehen. Ich habe einen Mann getroffen, der
vor drei Monaten kurz vor dem Tod stand und der jetzt
hundertprozentig frei von Krebs ist.«
    »Du lügst«, zischte sie.
»Nein, ich lüge nicht. Aber ich bin nicht hier, um über
diesen Mann zu reden. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass
wir inzwischen wissen, dass Vivian Powers entführt wurde
und dass man ihr wahrscheinlich bewusstseinsverändernde
Drogen verabreicht hat.«
»Das ist ja lächerlich!«
»Nein, das ist es nicht, ebenso wenig wie die Tatsache,
dass die Aufzeichnungen von Nicks Vater bei
Dr. Broderick gestohlen wurden. Inzwischen weiß ich mit
ziemlicher Sicherheit, wer die Person war, die sie an sich
    genommen hat. Ich habe gestern ein Bild von ihm in einer
Broschüre von Garner Pharmaceuticals gefunden. Es war
Lowell Drexel.«
»Lowell?« Ihre Stimme klang jetzt nervös.
     
»Dr. Broderick hat gesagt, ein Mann mit rötlich braunen
    Haaren habe die Aufzeichnungen an sich genommen. Ich
nehme an, der Friseur hatte sie so geschickt getönt, dass
Dr. Broderick das gar nicht bemerkt hat. Das Bild in der
Broschüre wurde letztes Jahr aufgenommen, bevor Drexel
aufhörte, seine Haare zu färben. Ich werde der
Staatsanwaltschaft meine Entdeckung mitteilen.
Dr. Broderick wurde von einem Unbekannten angefahren
und beinahe getötet, und vermutlich war das kein
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