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Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)

Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)

Titel: Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
Autoren: Walter Jury , S.E. Fine
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EINS
    In meiner Welt sind die Dinge einfach. Zumindest im Moment. Nur der harte, pulsierende Beat meiner Musik ist in meinem Kopf. Meine Muskeln sind locker. Meine bloßen Füße stehen flach auf dem Holzboden. Mein Hintern ruht auf einer Bank aus Metall, aber nicht mehr lange. Jetzt werden sie mich jeden Moment aufrufen.
    Ich bin bereit.
    Als Chicão mir auf die Schulter tippt, hebe ich den Kopf. Er bedeutet mir, meine Ohrhörer rauszunehmen. Ich gehorche und die Geräusche des Wettkampfs dringen an mein Trommelfell. Die Zurufe und der Beifall hallen von den hohen Wänden der massiven Turnhalle wider.
    »Die Leichtgewichtler sind gerade fertig, Tate«, sagt Chicão mit breiterem portugiesischem Akzent als sonst. »Jetzt kommen die Halbfinale im Mittelgewicht. Du bist der Nächste.« Sein gelocktes Haar steht ihm vom Kopf ab, als wäre er sich mit den Händen durchgefahren. Keine Ahnung, wieso, aber mein Coach ist nervöser als ich.
    Ich war den ganzen Tag überragend und dabei wird es auch bleiben.
    »Gut«, antworte ich. »Wird auch langsam Zeit.«
    Ich stecke meinen iPod in die Tasche, stehe auf und dehne mich, streiche meinen knackigen weißen Keikogi glatt und ziehe meinen schwarzen Gürtel enger. Perfeito .
    Ich muss nur noch diesen Kampf gewinnen, dann bin ich im Finale. Zehn Minuten liegen zwischen hier und da. Aber eigentlich bezweifele ich, dass ich überhaupt so lange brauche. Mein Ziel? Fünf Minuten. Wenn überhaupt. Ich werde dafür sorgen, dass der Junge in null Komma nichts die Hand auf die Matte haut.
    Ich muss. Den Ausdruck im Gesicht meines Vaters, wenn ich es nicht schaffe, will ich gar nicht sehen.
    Wenn ich dieses Turnier gewinne, lässt er mich vielleicht eine Weile in Ruhe. Vielleicht darf ich dann endlich mal ein paar Nächte länger schlafen als bis vier Uhr. Oder er lässt mich meine Diät mit etwas gebratenem Hähnchen ruinieren, ohne gleich auszuflippen. Möglicherweise ringt er sich auch dazu durch, mir sein Auto zu leihen, damit nicht immer Christina fahren muss, wenn wir ausgehen. Wenn ich den ersten Platz in diesem Turnier mache, könnte ihn das sogar dazu bringen, mich anzulächeln und mir zu sagen, dass ich gut genug bin, den Familiennamen Archer zu tragen. Die Familienverantwortung der Archers weiterzuführen, wie er zu sagen pflegt.
    Das könnte allerdings auch zu viel verlangt sein.
    Am gegenüberliegenden Ende der Matte steht mein Gegner und sieht sich den anderen Halbfinalkampf an. Seine schlaksigen Arme baumeln vor und zurück. Klatschen vorne aneinander. Klatschen hinten aneinander. Er wippt auf seinen Fußballen und rollt den Kopf im Nacken. Sein blauer Gi ist zerknittert und auf den Falten zeichnen sich dunkle Kreise ab. Offenbar trägt er das Teil schon den ganzen Tag. Hat er denn nicht daran gedacht, sich einen zum Wechseln mitzubringen? Ich rümpfe die Nase. Am besten ist es, wenn unser Kampf ein schnelles Ende nimmt, sonst bringt mich der Gestank womöglich um.
    Jetzt richtet er den Blick auf mich. Er hat große, braune Augen mit langen Wimpern. Wie eine Kuh. Mit einer Hand streicht er sich über die kurzen schwarzen Haare. Sein Gesicht ist so ernst. Die Konturen seiner Wangenknochen sind ganz scharf. Die Lippen schmal und geschlossen.
    Er hat Angst.
    Ich verziehe den Mund zu einem grimmigen Lächeln, als der Kampf, der sich vor uns abspielt, nach Punkten endet. Der Schiri hält die Hand des Siegers hoch und der Junge kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er ist im Finale. Ich klatsche ein paarmal anerkennend. Sein Scissor Sweep war cool, darauf muss ich mich einstellen.
    Chicão kommt näher und macht eine Kopfbewegung in Richtung des kuhäugigen Kerls. »Dieser Junge. Der, gegen den du als Nächstes kämpfst. Der hat all seine Gegner gezwungen, sich zu unterwerfen. Jedes Mal heute.«
    Er hat also alle dazu gezwungen, die in den Regeln vorgesehene Unterwerfungsgeste zu machen, um zu signalisieren, dass sie aufgeben. Beeindruckend. Aber andererseits befinden wir uns im Halbfinale der Dreistaaten-Meisterschaften im Brasilianischen Jiu-Jitsu. Wenn er also nicht beeindruckend ist, dann ist er verdammt noch mal auf der falschen Party. Ich habe jahrelang trainiert, um so weit zu kommen. Jeden Tag habe ich mehrere Stunden darauf hingearbeitet. Ich wurde von den Besten unterrichtet.
    »Dieses Mal nicht«, erwidere ich.
    Chicão verschränkt die Arme vor seiner breiten Brust. »Dieses Mal nicht«, stimmt er zu und verpasst mir einen Klaps auf den Rücken.
    Beifall und Pfiffe
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