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Das Gespenst der Nacht

Das Gespenst der Nacht

Titel: Das Gespenst der Nacht
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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»Gut und wo bitte?«
    »Bei mir«, sagte Melissa Hunter.
    »Aha. In der Firma?«
    »Nein, bei mir zu Hause. Wir wollen uns möglichst in einem privaten Rahmen bewegen, das schafft schon mal Vertrauen.«
    Susan Winter überlegte kurz. Jetzt nur keinen Fehler machen!, schoss es ihr durch den Kopf. »Ich denke auch so, Melissa, wirklich. Es ist immer besser, sich in einer Umgebung zu treffen, in der man sich wohl fühlt.«
    »Dann sollten wir es tun.«
    »Und wo muss ich hin?«
    Melissa Hunter nannte ihr die Anschrift. Es war eine Adresse in Notting Hill, dem kleinen Stadtteil mitten in London, der zu einer Institution geworden war und bei dem die Preise für Immobilien ins Astronomische gestiegen waren.
    Susan Winter lächelte, als sie fragte: »Wann bitte und um welche Uhrzeit?«
    »Können Sie heute kommen?«
    »Ja.«
    »Auch am Abend?«
    »Sicher.«
    »Dann treffen wir uns doch um zwanzig Uhr bei mir. Sie können sich ein Taxi nehmen. Ich ersetze Ihnen die Auslagen.«
    »Ach, das wird nicht nötig sein.«
    »Umso besser. Dann bis heute Abend.«
    »Ja, ich freue mich.«
    »Ich auch.«
    Das Gespräch war beendet. Susan Winter atmete auf. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie hoffte auf den Job in der Modebranche. Melissa Hunter hatte da schon einen Namen. Wer von ihr eingeladen wurde, der konnte sich glücklich schätzen, so sagte man.
    Dass man sich auch irren konnte, daran dachte Susan auch nicht eine Sekunde …
    ***
    Auch Melissa Hunter hatte aufgelegt. Sie saß in ihrem Schlafzimmer vor der Frisierkommode, die in einem Erker stand, und schaute durch die Scheibe in den winterlichen Vorgarten, in dem die Bäume einen schwachen Guss aus Puderzucker bekommen hatten. So sah der Schnee zumindest aus, der sich auf sie gelegt hatte.
    Hinter dem Vorgarten lag die Straße, die leicht bergauf führte. Die Häuser, die hier auf den Grundstücken standen, waren schon eine gesunde Wertanlage, und Melissa Hunter war froh, dass sie hier im Zentrum wohnte und ihrem Job nachgehen konnte.
    Sie war die Chefin einer Model-Agentur. Und sie war schon so lange im Geschäft, dass sie sich im Laufe der Jahre einen guten Grundstock aufgebaut hatte.
    Sie vermittelte die Mädchen und jungen Männer nicht nur für Fotoaufnahmen, sie war auch daran beteiligt, wenn Filme besetzt werden mussten. Dabei ging es nie um Hauptrollen, sondern um nicht minder wichtige Nebenparts, die ebenfalls perfekt besetzt werden mussten. Zumindest bei internationalen Produktionen.
    Aber auch bei den nationalen durfte man nicht schludern. Frauen wie sie standen unter genauer Beobachtung. Fehler wurden gnadenlos ausgenutzt, denn die Konkurrenz schlief nicht. Auch wenn es in dieser Gesellschaft immer das Küsschen hier und das Küsschen da gab, belauerte man sich jedoch gegenseitig. Man wartete auf den Fehler des anderen, um ihm dann eins auszuwischen.
    So war die Branche, das wusste man, damit fand man sich ab, und wer überleben wollte, der musste vor allen Dingen gut aussehen und sein Alter so gut wie möglich verbergen.
    Das schafften nicht alle. Deshalb gingen auch viele pleite. Oder warfen frustriert die Brocken hin.
    Das war Melissa Hunter erspart geblieben. Obwohl schon lange im Geschäft, hatte sie sich gut gehalten, was die Konkurrenz sehr ärgerte. Wie oft hatte man sie nach dem Grund für dieses Aussehen gefragt, doch Melissa hatte immer nur den Kopf geschüttelt, gelächelt und gesagt, dass sie mit fünfunddreißig Jahren aufgehört hatte, sie zu zählen.
    Und doch war auch bei ihr nicht alles Gold, was glänzte. Sie fühlte sich schlapp und sie wusste, dass diese Schlappheit sich auch bei ihrem Aussehen bemerkbar machte. Wer sie jetzt sah, der würde erschrecken, denn die Haut war alles andere als glatt. Sie zeigte Falten, sie war fast runzlig geworden, und das dunkle Haar hatte seinen seidigen Glanz verloren.
    Das sah sie nicht, das spürte sie. Sie musste nur mit den Händen durch ihr Gesicht fahren, dann hatte sie den Beweis. Die Haut war schlaff geworden. Man konnte sie kneten, in die Länge ziehen, und auch die Farbe hatte gewechselt. Eigentlich hätte sie ihren Job jetzt hinwerfen können, doch genau das tat sie nicht. Wenn sie so weit war, dann war für sie der Zeitpunkt gekommen, sich gegen die Naturgesetze aufzulehnen und zuzusehen, dass sie wieder diejenige wurde, auf die sie so stolz war.
    Sie musste sich erneuern.
    Das war nicht nur einfach so dahingesagt, das würde sie auch tun. Es war alles dafür in die Wege geleitet, an diesem
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