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Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)

Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)
Autoren: Andreas Kimmelmann
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AUFTRAG VERPFLICHTET
     
    „Letzter Aufruf für die Passagiere Dr. Philipp Leonidas und Manfred Ertl, Flug 15:17 nach Prag“, dröhnte die blecherne Lautsprecherstimme einer vermutlich jungen Frau durch die Abflughalle.
    Philipp stellte sich eine etwas gequält dreinblickende, etwa fünfundzwanzigjährige Blondine in blauer Uniform mit einem hoffentlich nicht zu langen Rock vor, der er in ein paar Minuten sein charmantestes Lächeln schenken würde, um sich für die Verspätung zu entschuldigen. Junge, blonde Frauen waren ohnehin das Einzige außer Wodka und Pokerkarten, das ihn in diesem Leben noch interessierte.
    Zuvor aber musste er es schaffen, rechtzeitig zu jener Stimme zu kommen, um den Flug überhaupt noch zu erwischen. Er war ohnehin schon viel zu spät dran gewesen, dann noch der lange Stau auf der Autobahn. Zuletzt hatte es ausgerechnet bei ihm in der Sicherheitsschleuse gepiepst. Erst kürzlich hatte ein Kollege Philipp erzählt, dass die Schleusen rein nach dem Zufallsprinzip funktionierten. Er hatte immer gedacht, sie würden auf Metall reagieren.
    Nun ging es um jede Sekunde. Philipp war sein Leben lang zu spät gewesen. Zu spät, um seine Ehe zu retten. Zu spät, um mit dem Saufen aufzuhören. Oder mit dem Spielen, wenn er schon dabei war. Er war auch zu spät gekommen, das Leben von Michael Orthmann zu retten, der auf seinem Operationstisch gestorben war. Aber das spielte wohl keine Rolle. So besoffen wie Philipp an diesem Tag gewesen war, hätte er ohnehin nichts für ihn tun können. Vor allem aber war es zu spät gewesen, sich aus Kerners Dunstkreis zu lösen. Zum einen hatte er zu viele Spielschulden bei ihm gemacht, zum anderen wusste er zu viel über ihn. Die Mädchen. Die Drogen. Nun, da er endlich verschwand, wollte er nicht auch noch dafür zu spät kommen.
    Er blickte sich im Laufen noch einmal hektisch nach dem dicken Mann in dem schwarzen Anzug um, der ihm schon an der Sicherheitsschleuse hinter ihm aufgefallen war. Er mochte so an die fünfzig sein, trug einen kleinen Aktenkoffer und bemühte sich verzweifelt, mit Philipp Schritt zu halten. Sein mittellanges, graues Haar klebte ihm an seiner Stirn, dicke Schweißperlen tropften von seinem Gesicht auf den Boden, während er lief. Philipp fragte sich, ob man auf seinem eigenen Schweiß ausrutschen konnte. Er vermutete, man konnte.
    Der Mann im schwarzen Anzug rutschte nicht aus. Er lief weiter keuchend in Philipps Richtung. Ob er zum selben Flug musste? War er dieser Manfred Irgendwie, den die Dame vorher ausgerufen hatte? Wahrscheinlich war es so.
    Philipp schalt sich einen Narren, während er sich weiter bemühte, zu seinem Gate zu gelangen. Kerner hatte doch keine Ahnung, dass er nach Prag fliegen wollte. Und selbst wenn: würde er ihm einen Killer bis durch die Sicherheitsschleuse nachschicken? Der Kerl müsste ja eine Waffe tragen und mit der könnte er nicht an den Kontrollen vorbei kommen.
    Nein, Unsinn. Das war ein ganz normaler Fluggast, der auch zu spät dran war. Nichts weiter. Nur dass Philipp es vermutlich noch schaffen würde, den Flug zu erwischen. Bei dem Anderen war er sich nicht so sicher, der schien schon aus dem letzten Loch zu pfeifen.
    Aber was, wenn er den Auftrag hatte, Philipp nur zu folgen und ihn erst in Prag zu erledigen? Philipp begann noch etwas schneller zu rennen. Die Stimme einer Frau bremste ihn. Es war jedoch nicht die Frau von der Lautsprecherdurchsage.
    „Ist hier ein Arzt?“, hörte er sie hinter sich schreien. „Schnell, einen Arzt! Der Herr hat einen Herzinfarkt!“
    Philipp verlangsamte seine Schritte und drehte sich zögerlich um. Der Mann im schwarzen Anzug lief nicht mehr. Er lag rücklings auf dem Bonden und verkrampfte die Hände vor der Brust. Der Aktenkoffer lag achtlos neben ihm.
    „Er braucht einen Arzt!“, rief die ältere Dame, die sich neben ihm eingefunden hatte. „Kann ihm irgendjemand helfen?“
    Philipp wusste nicht, was er tun sollte. Ob das ein Trick war? Hatte der Kerl eingesehen, dass er Philipp nicht mehr erwischen würde und versuchte nun so, ihn hier zu halten?
    „Sind Sie Arzt?“, schrie die Frau nun in Philipps Richtung, nachdem sie seinen Blick bemerkt hatte.
    Philipp sah sie verwirrt an, antwortete aber nicht. Was nun? Wenn das einer von Kerners Leuten war, lief er ihm direkt in die Hände. Und wenn nicht? Dann würde er womöglich einen hilfsbedürftigen Menschen im Stich lassen. Aber auch wenn dies wirklich ein Notfall war: er verpasste seinen Flug und lief
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