Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
UHR HATTE NED seinen Posten hinter den
Bäumen in der Nähe des Gästehauses bezogen. Um
Viertel nach zwei kam ein Mann, den er noch nie zuvor
gesehen hatte, die Straße vom Diensteingang
heruntergelaufen. Er sah nicht wie ein Bulle aus – dafür
waren seine Kleider zu teuer. Er trug ein dunkelblaues
Sakko, ein Hemd mit offenem Kragen und hellbraune
Hosen. Seine ganze Haltung, sein Gang signalisierten,
dass er sich als der große Boss fühlte, dem ein Heer von
Untergebenen zu Füßen lag.
    Wenn du in einer Stunde immer noch da bist, wirst du
nicht mehr den großen Macker markieren, dachte Ned. Er
überlegte, ob dieser Kerl derselbe war, den er gestern
Abend gesehen hatte – nicht der Freund, sondern der
andere. Könnte sein, dachte er. Von der Größe her würde
es genau passen.
    Heute konnte Ned wieder Annie sehen. Sie stand in
seiner Nähe und streckte ihre Hand nach ihm aus. Sie
wusste, dass er bald zu ihr kommen würde. »Es dauert
nicht mehr lange, Annie«, flüsterte er. »Nur noch ein paar
Stunden, okay?«
    Er hatte Kopfschmerzen, einmal, weil er die Flasche
Scotch ausgetrunken hatte, aber auch, weil er noch nicht
herausgefunden hatte, wie er zum Friedhof gelangen
sollte. Den Toyota konnte er nicht benutzen – die Bullen
suchten überall nach ihm. Und Lynn Spencers Schlitten
war zu auffällig – die Leute könnten auf ihn aufmerksam
werden.
    Er beobachtete, wie der Typ auf das Haus zuging und an
die Tür klopfte. Lynn Spencer machte auf. Wahrscheinlich
war es ein Nachbar, der zu Besuch herübergekommen war.
Entweder kannte er den Code vom Diensteingang, oder sie
hatte ihm vom Haus aus geöffnet.
    Zwanzig Minuten später, um zehn vor drei, kam ein
Wagen von der Hauptauffahrt her angefahren und parkte
vor dem Gästehaus.
    Ned sah, wie eine junge Frau ausstieg. Er erkannte sie
sofort – es war Carley DeCarlo. Sie war pünktlich,
vielleicht sogar ein bisschen zu früh. Alles würde sich
genauso abspielen, wie er es geplant hatte.
    Nur dass dieser andere Typ immer noch da war. Pech
gehabt.
Diese DeCarlo war aufgetakelt, als ob sie auf eine Party
ginge, dachte Ned. Sie hatte einen schönen Anzug an – so
einen hätte er Annie auch gerne gekauft.
Carley DeCarlo konnte sich natürlich solche Klamotten
leisten. Aber sie war ja auch eine von denen – sie gehörte
zu diesen Betrügern, die einem das Geld wegnehmen, die
Annie in die Verzweiflung getrieben und dann hinterher
vor allen Leuten verkündet hatten: »Ich habe damit nichts
zu tun. Ich bin auch nur ein Opfer.«
Nur ein Opfer – mir kommen gleich die Tränen! Deshalb
fährst du auch in einem sportlichen dunkelgrünen Acura
durch die Gegend und trägst ein todschickes Outfit, das
eine Stange Geld gekostet hat.
Annie hatte immer gesagt, wenn sie sich je ein neues
Auto leisten könnten, dann würde sie gerne ein
dunkelgrünes haben. »Denk mal drüber nach, Ned.
Schwarz ist auf die Dauer so eintönig, und die meisten
dunkelblauen Autos sehen aus wie schwarz, da ist fast
kein Unterschied. Aber dunkelgrün – das sieht richtig
nobel aus und ist trotzdem noch eine richtige Farbe. Wenn
du also mal im Lotto gewinnst, Ned, dann gehst du in den
nächstbesten Laden und kaufst mir ein dunkelgrünes
Auto.«
»Annie, Schatz, ich hab dir nie einen kaufen können,
aber heute werde ich in einem dunkelgrünen Auto zu dir
fahren«, sagte Ned. »Einverstanden?«
»Oh, Ned.« Er hörte sie lachen. Sie war ganz nahe bei
ihm. Er spürte ihren Kuss. Er spürte, wie sie ihm den
Nacken massierte, so, wie sie es immer machte, wenn er
sich über irgendetwas fürchterlich aufgeregt hatte, zum
Beispiel, wenn er mit jemandem bei der Arbeit Streit
gehabt hatte.
Er hatte sein Gewehr gegen einen Baum gelehnt. Jetzt
holte er es und begann zu überlegen, wie er am besten
vorgehen sollte. Er wollte auf jeden Fall in das Haus
eindringen. Auf diese Weise war die Gefahr geringer, dass
jemand die Schüsse von der Straße aus hören könnte.
Er ließ sich auf allen Vieren nieder und kroch vorsichtig
das Gebüsch entlang, bis er die Seitenfront des Hauses
erreichte und unterhalb des Fensters zum Fernsehzimmer
in die Hocke ging. Heute war die Tür zum Wohnzimmer
fast ganz geschlossen, sodass er nicht hineinschauen
konnte. Aber er sah den Kerl, der vorhin vom
Diensteingang her gekommen war. Er stand mitten im
Fernsehzimmer, hinter der Tür.
»Ich glaube, Carley DeCarlo weiß nicht, dass er auch da
ist«, sagte Annie. »Ich frage
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher