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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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heiser. «Tut mir leid, dass Sie noch bis morgen hierbleiben müssen, aber ich möchte kein Risiko eingehen. Sonst sterben Sie womöglich ausgerechnet heute Nacht, und dann heißt es wieder, ich hätte die OP verbockt.»
    «Und? Haben Sie sie verbockt?», frage ich launig.
    «Natürlich habe ich sie verbockt», erwidert er und schielt auf meinen Becher mit Schmerztabletten. «Anfängerfehler. Ich habe der Narkoseschwester eine falsche Anweisung gegeben. Ist aber nur passiert, weil ich seit fast fünfzig Stunden auf den Beinen bin.»
    «Hört sich an, als müssten Sie den Laden allein schmeißen», werfe ich ein.
    «Sagen wir so: Das aktuelle Gesundheitssystem ist nicht gerade arbeitnehmerfreundlich.» Er lässt meine Pillen nicht aus den Augen.
    «Eine würde ich Ihnen abtreten», sage ich. «Die andere brauche ich vielleicht noch selbst.»
    «Hey! Das ist aber nett von Ihnen! Danke!» Er fischt eine der Pillen aus dem Plastikbecher und schiebt sie sich in den Mund. «Sie müssen sich jedenfalls keine Sorgen machen. Ich bin sicher, morgen früh ist alles überstanden. Und Ihre Nase dürfte auch wieder wie neu werden.»
    «Was genau ist denn eigentlich mit mir passiert?», frage ich.
    Er öffnet die Pillenschachtel meines Bettnachbarn und pickt sich ein paar Tabletten heraus, als wären es Erdnüsse. «Nichts Besonderes. Ihr Herz ist stehengeblieben.»
    «Oh», erwidere ich verblüfft.
    «Nur ein paar Minuten.»
    «Ehrlich gesagt klingt das für mich ziemlich lange.»
    «I wo!», erwidert er und wirft sich seine gesammelten Pillen in den Mund. «Es klingt dramatischer, als es ist. Stimmt schon, in gewisser Weise waren Sie eine kurze Weile tot. Und vor zweihundert Jahren wären Sie es wohl auch geblieben.» Er lacht kurz auf und hustet ein paarmal. «Aber für uns heute ist das Routine. Kein Grund zur Panik.»
    «Dann ist es ja ein hübscher Zufall, dass ich noch am Leben bin.»
    «Das ist die richtige Einstellung!», entgegnet er und wendet sich zur Tür. «Ich muss zurück in den OP. Komplizierte Herzgeschichte. Wir sollten ihm beide die Daumen drücken. Kann ich noch was für Sie tun?»
    Ich will schon den Kopf schütteln, da fällt mir doch noch etwas ein. «Draußen stehen ein Kerl um die vierzig und eine ältere Dame mit kurzen, dunklen Haaren. Könnten Sie denen bitte sagen, dass ich Ruhe brauche und jetzt nicht mehr gestört werden darf?»
    Er lächelt. «Familie, was? Kein Problem. Ich wimmel die beiden ab.»
    Im nächsten Moment ist er verschwunden. Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen. Ich benutze eine schäbige Ausrede, um Mutter und Jonas wegzuschicken, obwohl die beiden nur meinetwegen den ganzen Tag im Krankenhaus verbracht haben. Mein Gewissen zwickt mich zum Glück nicht lange. Zum einen werde ich mir noch viele Jahre anhören müssen, wie meine engste Familie heute aufopferungsvoll um mein Leben gefiebert hat. Zum anderen bin ich tatsächlich hundemüde. Meine Notlüge war also lediglich eine kleine Übertreibung. Langsam fallen mir die Augen zu.
    Als ich wieder erwache, herrscht tiefste Nacht. Draußen ist es zappenduster. Der Raum wird nur vom matten Schein des Fernsehbildschirms erleuchtet. Meine Bettnachbarn sehen sich einen alten Film an. Die beiden sind nun hellwach. Man hört Tütenknistern und Essgeräusche.
    Ich konzentriere mich auf den Bildschirm und erkenne James Stewart. Gerade spricht er mit einem freundlichen Kerl in altmodischer Unterwäsche. Die Szene kommt mir bekannt vor. Das ist einer dieser Streifen, die jedes Jahr zu Weihnachten wiederholt werden. Ich überlege, wie der Film heißt, und erinnere mich, dass James Stewart sich das Leben nehmen will und der freundliche Kerl ein Engel ist, der ihn retten soll. Ich glaube, das Wort Leben kommt sogar im Titel vor. Während ich angestrengt überlege, werde ich erneut von bleierner Müdigkeit gepackt. Wieder fallen mir die Augen zu, und wieder werde ich ins Reich der Träume hinabgezogen.
    Als ich erwache, fühle ich mich frisch und ausgeruht. Es ist Morgen. Die Wintersonne taucht den Raum in kaltes Licht. Erstaunt stelle ich fest, dass meine Zimmernachbarn verschwunden sind, und zwar mitsamt ihren Betten. Ich setze mich auf und schaue mich um.
    «Ich dachte, ein Einzelzimmer wäre Ihnen lieber», höre ich Abel Baumann sagen. Er sitzt etwas versteckt an dem kleinen Besuchertisch vor meinem Bett, hat zwei dampfende Tassen Kaffee mitgebracht und hält mir nun eine davon hin. «Möchten Sie? Ist ganz frisch.»
    «Danke.» Ich nehme
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