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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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am Kopfende meines Bettes.
    «Was ist passiert?», will ich wissen. «Und warum seid ihr beide hier?»
    Mutter runzelt vorwurfsvoll die Stirn, dann wendet sie sich zu Jonas. «Hab ich es nicht gleich gesagt? Er wird es uns nicht danken. Wie üblich.»
    «Was danken?», frage ich und ärgere mich darüber, dass Mutter in der dritten Person über mich spricht, während ich anwesend bin. Obwohl sie weiß, dass es mich auf die Palme bringt, macht sie das regelmäßig.
    Ihr strafender Blick trifft mich. «Wir haben stundenlang in dieser schrecklichen Cafeteria gehockt und darauf gewartet, dass du endlich aus dem Koma aufwachst. Wir waren schon ganz krank vor Sorge.»
    «Koma? Was denn fürn Koma?»
    Jonas macht eine beschwichtigende Handbewegung und bedeutet mir mit einem Seitenblick, dass unsere Mutter ein wenig übertreibt. Auch das macht sie regelmäßig.
    «Es gab Komplikationen bei deiner OP», erklärt Jonas. «Dein Leben stand auf Messers Schneide. Um ein Haar hätten sie dich verloren.»
    Die Information dringt nur langsam in mein Bewusstsein. Zugleich spüre ich ein seltsames Unbehagen. Ich habe nicht die geringste Erinnerung an die letzten Stunden. Vermutlich hätte ich meinen eigenen Tod verschlafen. Vorsichtig betaste ich meine Nase. Ich erinnere mich nun wieder an Abel Baumann, die Kellnerin und meinen doppelten Knockout.
    «Keine Sorge. Sie haben alles wieder gut hinbekommen», erklärt Jonas.
    «Aber du musst uns jetzt hoch und heilig versprechen, dass du mit dem Trinken aufhörst», sagt Mutter theatralisch.
    Ich blicke fragend zu Jonas, der zuckt ahnungslos mit den Schultern.
    «Einer Mutter kann man nun mal nichts vormachen», fährt sie fort. «Ich weiß doch, dass die meisten Komplikationen bei einer Vollnarkose auftreten, weil es sich bei den Patienten um schwere Alkoholiker handelt. In solchen Momenten kommt die Wahrheit dann eben doch ans Licht.»
    Ich seufze. «Mutter, ich bin kein Alkoholiker.»
    «Da habe ich aber von Ellen was ganz anderes gehört. Dem Inhalt deines Kühlschrankes nach zu schließen, ernährst du dich von Billigwein.»
    Hätte ich mir ja denken können, dass sich die beiden längst ausgetauscht haben. Meine Exfrau und meine Mutter verstehen sich nämlich blendend. Kein Wunder, denn charakterlich gleichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Ich habe ein paar Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass ich mit Ellen quasi meine Mutter geheiratet habe, psychologisch gesehen. Das ist zwar schrecklich, aber nachvollziehbar. Ein Therapeut ist ebenso wenig gegen Neurosen gefeit wie ein Zahnarzt gegen Karies. Wobei dieser Vergleich hinkt, weil Zahnschmerzen meist nach ein paar Tagen vorbei sind, während eine neurotische Ehe gerne mal sieben Jahre dauern kann.
    «Ellen wollte übrigens auch kommen. Sie hat versucht, ihre Termine zu verschieben. Hat aber nicht geklappt. Sie lässt dich grüßen. Wenn du willst, dann holt sie dich morgen ab.» Mutter zieht ihr Smartphone hervor und entriegelt es mit einem Wisch. «Soll ich ihr simsen?»
    «Nein», sage ich. «Und wieso kann ich nicht sofort raus? Mir geht’s gut.»
    «Sie wollen dich noch eine Nacht hierbehalten», antwortet Jonas. «Ist nur zur Beobachtung.»
    «Also ich würde auch keine Nacht länger als nötig in diesem alten, zugigen Kasten bleiben», erklärt Mutter und zupft an ihrer Kurzhaarfrisur. «Wobei ich gesehen habe, dass in den picobello renovierten Einzelzimmern für die Privatpatienten sogar Plasmafernseher hängen.»
    «Wie schade, dass ich kein Privatpatient bin», erwidere ich. «Einen Plasmafernseher hätte ich auch gern gehabt, als ich im Koma lag.»
    Mutter verzieht ihre schmalen Lippen zu einem spöttischen Lächeln. «Vielleicht kann dir ja dein Bruder eine Nacht in der gehobenen Zimmerkategorie spendieren.»
    «Mutter! Bitte!», wirft Jonas mit gespielter Empörung ein. In Wahrheit könnte er stundenlang zuhören, wenn sie ihn über den grünen Klee lobt.
    «Wusstest du eigentlich, dass die Bank ihm einen äußerst lukrativen Job in Übersee angeboten hat?»
    Ich nicke Jonas anerkennend zu. «Nein. Aber gratuliere. Und wo da genau in Übersee?»
    «Was spielt denn das für eine Rolle?», blafft Mutter.
    «Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob er künftig an der Wall Street sitzt oder irgendwo in den Anden.»
    «Weder noch», erwidert Jonas herablassend. «Sie wollen, dass ich dabei helfe, eine Investmentbank in Florida aufzubauen.»
    Wäre Arroganz ansteckend, müsste mein Bruder jetzt auf die Quarantänestation.
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