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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen
Autoren: Juergen Kehrer
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habe gebettelt, ich habe gefleht. Ihr Sohn ist in guten Händen, haben sie gesagt. Alles geschieht nur zu seinem Besten. Wenn sie den Mund aufmachten, konnte man ihre gespaltenen Zungen sehen.«
    Ein Hauch von Gift und Galle lag in der Luft. Diese Frau hatte noch immer mehr Energie als eine ganze Kantinenrunde Schreibtischbürokraten.
    Versunken betrachtete ich den braunen Rest in meiner Kaffeetasse. »Immerhin ist Ihr Sohn jetzt vorsichtiger geworden. Statt erneut Vorwürfe zu erheben, engagiert er einen Privatdetektiv.«
    »Wir haben gelernt, dass die Welt schlecht ist. Nur jemand, der sich mit der Schlechtigkeit der Welt auskennt, kann dieses Weibsstück zur Strecke bringen.«
    Sie schien sich der Zwiespältigkeit des Kompliments nicht bewusst zu sein. Ohne auf diesem heiklen Punkt zu insistieren, stellte ich die Gretchenfrage: »Übrigens, Ihr Sohn ist doch wieder geschäftsfähig, nicht wahr? Ich meine, er ist nicht entmündigt?«
    Ihr vorwurfsvoller Blick streifte mich: »Sie haben ihn für geheilt erklärt. Nach siebzehn Jahren geheilt.«
    Unbewusst griff ich an meine linke Brusttasche. »Ja«, sagte ich, nachdem ich auch noch auf meine Armbanduhr geguckt hatte, »ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich aufmache. Schließlich bezahlen Sie mich nicht fürs Plaudern. Sagen Sie Ihrem Sohn, dass ich ihn morgen Abend anrufe. Ich werde dann sicherlich schon mehr wissen.«
    Sie brachte mich bis zur Tür, und als ich mein Auto erreicht hatte, stand sie noch immer dort: klein, gebeugt und unheimlich zäh. Ich winkte mit dem Arm und sie rief: »Gott mit Ihnen!«
    Kein besonders schlagkräftiges Gespann, dachte ich.
    Es war halb fünf, und ich musste noch etwas tun, um meine 150 Mark für diesen Tag zu verdienen. Vielleicht sollte ich meine Arbeitstage demnächst früher beginnen.

III
     
     
    Der Hansa-Grill ist nicht gerade ein Gourmet-Treff, aber wegen seiner deftigen Hausmannskost eine Pommesbude mit einem Stern. Bevor ich den weiteren Ereignissen ins Auge blickte, wollte ich noch ein verspätetes Mittagessen zu mir nehmen. Ich wählte das Tagesgericht, eine Erbsensuppe mit Metteinlage. Beim Kauen überlegte ich, ob mir eine Alternative blieb, Hillerich, zum Beispiel. Nein, den musste ich mir für später aufsparen. Es galt, den Stier bei den Hörnern zu packen. Der Detektivjob ist eben kein Briefmarkenkränzchen.
    Der Vorteil von Pommesbuden liegt darin, dass man keine Zeit mit Warten, Gesprächen und Verdauen verplempert. Zehn Minuten später stand ich auf der Straße und blickte mich nach einer Telefonzelle um. Tatsächlich gab es hundert Meter weiter ein gelbes Häuschen, in dem ich die gesuchte Adresse fand.
    Ich fuhr Richtung Mecklenbeck und der Aasee zeigte seine ganze, künstlich angelegte Schönheit. Gummihäutige machten mit ihren Surfbrettern erste Tauchversuche. Etwa in Höhe des Zoos bog ich links ab und kam in eine tödlich-sterile Villensiedlung, wo sich Gartenzwerge und Holunderbüsche Gute Nacht sagen.
    Ich klingelte an einem unvermeidlich schmiedeeisernen Tor und wartete geschlagene zwei Minuten auf das Brummen. Meine Befürchtung, dass ich zunächst mit einer quäkenden Sprechanlagenstimme kommunizieren müsste, erwies sich erfreulicherweise als falsch. Ich kam am fingerhoch geschnittenen und zwanzig mal fünfzehn Quadratmeter großen Rasen vorbei, stieg die seitlich angelegte Eingangstreppe hinauf und stand vor einer hübschen Blondine. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sie eine hautenge schwarze Hose und eine ebenso schwarze Bluse trug. Der Rest meines Blickes galt ihren spöttisch lächelnden Augen.
    »Guten Tag. Mein Name ist Georg Wilsberg. Ich würde gerne Frau Wilma Pobradt sprechen.«
    »Die ist nicht da.«
    »Wann ist sie wohl zu sprechen?«
    »Nächste Woche. Sie kommt am Donnerstag aus Teneriffa zurück.«
    »Aha.« Da stand ich nun und wusste nicht mehr weiter. Anderen Privatdetektiven gelang es in solchen Fällen, ihren Charme spielen zu lassen und bei einem zwanglosen Gespräch die heißesten Insider-Informationen zu bekommen.
    »Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Ich bin die Tochter.«
    Von der Möglichkeit, dass Karl und Wilma Pobradt ein bis mehrere Kinder haben könnten, hatte mir bislang noch niemand erzählt. Aber ich hatte ja auch nicht danach gefragt.
    »Nun, die Angelegenheit ist, wie soll ich sagen, etwas delikat.« Ich blickte mich um, ob ein Nachbar in der Nähe war. Außer einer Katze bewegte sich im Umkreis von hundert Metern kein Lebewesen. »Ich bin
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