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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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vielleicht ausgereicht, aber Disa wollte sich vergewissern, dass die Götter ihre Gabe wohlwollend aufnahmen. Zwei Tiere mehr, vielleicht Gänse. Anders in Ols hatte um diese Zeit Gänse. Bis dorthin war es nicht weit. Disa hatte im Schuppen ein Paar Ski gesehen, alte Holzbretter mit Lederriemen. Das Auto wäre zu sehr aufgefallen. An einem solchen Neujahrstag schliefen die Leute vielleicht länger. Das sollten sie jedenfalls. Gänse waren ja nicht gerade Tiere, für die man wie für Kühe am frühen Morgen aufstehen und sie melken musste. Das Weinen des Kindes drang durch die dünnen Wände nach draußen. Disa schob sich ein paar Mal kräftig mit den Skistöcken an, um von dem Geräusch wegzukommen. Die Schneekruste war hart, leicht glitt sie durch den Wald, den Hang hinunter. Disa war kräftig und durchtrainiert. Die Abendgymnastik fünf Mal in der Woche und die Anabolika hatten das Ihre dazu beigetragen. Disa dachte an die Gänse. Eigentlich war es schwierig mit Gänsen, die konnten kräftig zubeißen, aber das war nicht das Schlimmste. Einmal, als Kind, war Disa bei Anders in Ols von den Gänsen gejagt worden. Die hatten sie angefaucht, gefaucht wie böse Geister. Deren bösartige gelbtrübe Augen hatten ihr direkt in die Seele gestochen. Sie hatte einen Sack mitgenommen. Man musste den Gänsen einen Sack über den Kopf ziehen, damit sie nicht mit den Flügeln schlagen konnten. Danach brauchte man nur ein Beil … Unterhalb des Stalls stand ein Auto geparkt. Disa fuhr hin und rieb an der Scheibe, der Schlüssel steckte im Zündschloss. Das waren die Nornen, die Göttinnen des Schicksals, die das so geplant hatten. Das wusste Disa im gleichen Moment. Das hieß nichts anderes, als dass sie zuerst einen Kopf beschaffen und dann das Opfer darbringen sollte. Disa lachte laut. Wie schön, sich auf den Weg zu machen, nicht in dem kalten Haus sitzen zu müssen, ohne zu wissen, was sie mit dem Kind anfangen sollte. Bald würde sie an Odins Weisheit teilhaben. Disa drehte den Schlüssel um und wischte den Rückspiegel ab. Sie lächelte sich selbst zu. Sie wusste, welcher Kopf am besten in den Brunnen passte. Da gab es keinen Zweifel.

35
    »Gibt es noch etwas, an das du dich erinnern kannst? Sagte Disa, als du ihr Linda brachtest, irgendwas, wohin sie gehen wollte oder was sie vorhatte? Versuch dich an jedes Wort zu erinnern.«
    »Ich weiß nicht, ich bin so müde, ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen.« Maria zog ihr offenes Haar zusammen und rieb sich die Augen mit den Handrücken. »Sie war fasziniert von meiner Halskette.«
    »Ich hab auch dagesessen und sie angeguckt. Sie sieht aus wie die Kopie eines mittelalterlichen Grabfundes, vielleicht keltisch. Ich hab so was noch nie gesehen. Das ist sehr hübsch«, sagte der Professor vorsichtig. »Berit, ich meine Disa, neckte mich deswegen. Sie fragte, woher ich das hätte, und dann lächelte sie auf so eine komische Art. Ich dachte, sie wäre neidisch. Als ich ihr sagte, ich hätte sie von Krister bekommen, da lachte sie lauthals los. ›Vom Zwerg Krister!‹, sagte sie. Ich weiß nicht, ob ich es richtig gehört habe, ob sie wirklich Zwerg gesagt hat.«
    »Das hat sie wohl«, bestätigte der Professor und zog verlegen an seinem dünnen Bart. »Wieso meinst du das?«
    »Sie glaubt, du seiest Freyja.«
    »Na, vielen Dank. Was hat der Schmuck damit zu tun?« Erstaunt merkte Maria, dass der Professor richtig verlegen wurde. Er errötete bis unters Kinn, kniff in die Bügelfalten seiner Hose und starrte auf die Schuhe.
    »Freyja bekam … nein, ich kann nicht. Das ist so peinlich.«
    »Nun leg schon los, wir müssen hier weiterkommen. Ich bin erwachsen.« Der Professor räusperte sich und blickte geniert um sich. Da saßen so grässlich viele Leute mit offenen Mündern um ihn herum. Dankbar hätte er sein sollen, er, der es sonst so liebte, viel Publikum zu haben. Aber in diesem Augenblick hätte er sich gewünscht, allein mit Maria sprechen zu können. »Freyja bekam dieses Schmuckstück, den so genannten Brisingenschmuck, als Bezahlung für vier Tage währende erotische Ausschweifungen mit vier Zwergen«, ließ sich der Professor vernehmen, bevor seine Stimme kläglich versagte. »Machst du Witze? Glaubt sie so was von mir?« Mitten in allem Unglück konnte Maria sich ein Lachen nicht verkneifen. Der Professor drehte und wand sich unsicher, wusste nicht, ob er Maria ansehen durfte oder besser nicht. »Kannst du mir jemals verzeihen, Maria? Ich war der Ansicht, Disa
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