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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen
Autoren: Eric Malpass
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sehr albern vor. «Ich habe... immer an dich gedacht, und ich wollte...»
    «Komm herein und setz dich», sagte sie und trat beiseite, damit er vorbeigehen konnte. Sie deutete auf einen durchgesessenen Lehnsessel und schloß die Tür. «So —jetzt mache ich dir erst einmal eine Tasse Kaffee.»
    Außer dem Sessel gab es in dem Raum ein Bett, einen kleinen Gasherd, einen weißen Spülstein, einen runden Tisch mit Küchenstuhl und zwei dunkelbraune Schränke, einen braunen Läufer auf dem Fußboden. Auch die Wände waren braun getüncht. Der ganze Raum war etwa dreieinhalb mal vier Meter groß und vollgestopft mit Sachen. Durch das Fenster sah man den bleigrauen Himmel. Auf dem Tisch stand eine Glasvase mit zwei Narzissen. Sie brachten etwas Schönheit in die armselige Bleibe. Sie erschienen ihm wie ein Hoffnungsschimmer in der Verzweiflung, wie das Leben im Tod.
    Ulrike setzte Wasser auf, stellte schweigend Tassen auf ein Tablett, füllte Zucker in eine kleine Schale und blickte nicht auf. Er beobachtete sie. Sie war größer, als er sie in Erinnerung gehabt hatte, und noch ebenso schlank wie früher. Auch ihre Bewegungen waren noch so graziös wie einst. Wir haben beide Angst vor dem Augenblick, wenn der Kaffee fertig ist und wir sprechen müssen, dachte er.
    Sie stellte das Tablett auf den Tisch. «Zucker?» fragte sie. «Milch habe ich leider nicht.»
    «Ich trinke ihn auch lieber schwarz», sagte er, obwohl das nicht stimmte.
    Sie goß ein — aus einer einfachen Blechkaffeekanne. Dann setzte sie sich und lächelte, aber jetzt war es ein angestrengtes Lächeln, als sei ihr eingefallen, daß man lächeln mußte, wenn man Besuch hatte.
    Sie setzte sich auf den Küchenstuhl und sah ihn wartend an. Er trank einen Schluck.
    «Vierzig Jahre ist es jetzt her—ich habe es nie vergessen», sagte er.
    «Und ich dachte», sagte sie, «wenn du überhaupt noch an mich denkst, müßtest du mich hassen.»
    «Nein.» Er schüttelte den Kopf. «Ich glaube... ich habe dich mein ganzes Leben lang geliebt, Ulrike.»
    Das war viel für Benbow Dorman, und es war erst der Anfang -er wollte noch viel, viel mehr sagen. Aber wie konnte er, der «hölzerne» Dorman, Bankdirektor im Ruhestand, zu dieser Frau sagen, daß sie das einzige Licht in seinem Leben gewesen war, daß weder die Kriegsjahre noch seine Karriere in der Bank, noch die Zuneigung seiner Freunde, noch seine Ehe sie je aus seinem Herzen verdrängt hatten?
    «Mein ganzes Leben lang», wiederholte er und hoffte, sie würde sagen: «Ich dich auch.» Aber sie schwieg.
    «Und wie geht es dir?» fragte er, obwohl er nur zu gut sah, wie es ihr ging.
    Zu seinem Erstaunen erschien wieder das blasse Lächeln in ihrem Gesicht. «Mir geht es sehr gut», sagte sie mit einer Handbewegung auf das trübe Zimmer. «Ich habe die Wohnung ganz für mich allein. Und ich habe Arbeit. Du hast Glück - heute ist mein freier Tag.» Es klang zufrieden, wie sie das sagte, fast beschwingt.
    «Was arbeitest du?»
    «Im Winter fege ich Schnee, im Sommer arbeite ich auf dem Bau. Sehr gesund, immer in der frischen Luft. Und manchmal mache ich auch noch englische Übersetzungen.»
    Die Arme, dachte er, und seine Gefühle überwältigten ihn.
    «Ulrike!» rief er. «Komm mit mir nach England.»
    Sofort wurde sie wieder das ängstlich abwehrende Wesen, das ihm die Wohnungstür geöffnet hatte. Der Anflug von Lebhaftigkeit war verschwunden. Sie preßte die Lippen zusammen und schüttelte nur den Kopf.
    «Warum nicht?» fragte er.
    Tonlos, fast feindselig, erwiderte sie: «Es ist ganz und gar unmöglich.»
    «Ich meine nicht jetzt sofort. Es gibt allerhand Formalitäten zu erledigen, ich weiß. Ich meine später, wenn du alles geordnet hast.»
    Ohne unhöflich sein zu wollen, versuchte sie, in seine Kaffeetasse zu blicken. Sie sah, daß sie leer war. «Ich glaube, du solltest jetzt gehen», sagte sie. Nur an ihren zitternden Fingern sah man ihre Erregung.
    Er stand auf und nahm ihre Hände und war erstaunt, daß Ulrike sie ihm überließ. Sie waren kalt. Er sagte behutsam: «Aber ich bin doch gerade erst gekommen, Ulrike. Und ich wollte noch so vieles wissen.»
    «Ich kann dir nicht viel sagen», erwiderte sie. «Es war nicht leicht. Aber jetzt - jetzt geht es mir gut.»
    Seltsam. Vierzig Jahre lang war sie ein frisches blondes Mädchen in den Hügeln von Derbyshire gewesen und er ein unbeholfener junger Bankangestellter mit gelben Handschuhen —und nun war er wie durch Zauberei plötzlich ein rundlicher alter
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