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Und das Leben geht doch weiter

Und das Leben geht doch weiter

Titel: Und das Leben geht doch weiter
Autoren: Heinz G. Konsalik
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befand sie sich im Irrtum. Sein Blick blieb hinaus auf das Meer gerichtet.
    »Jens«, kam es tonlos von Carolas Lippen.
    Dann fühlte sie plötzlich, wie der Boden unter ihren Füßen nachgab. Die Knie knickten ihr ein, ihr Körper wankte, in ihren Ohren dröhnte und brauste es. Hilfesuchend griff sie nach irgend etwas …
    »Jens!« wollte sie rufen; es wurde aber nur noch ein erstickter Laut.
    Ein ungeheurer Schwindel überkam sie, und noch im Fallen fühlte sie, wie sie emporgerissen wurde, glaubte aber dennoch, sie fiele und fiele …, bis es dunkel um sie wurde.
    Jens hielt die Ohnmächtige in seinen Armen.
    Wohin mit ihr?
    Er war wahrhaftig ein Mensch, der sich das fragte. Band ihn sein Versprechen noch? Oder rief ihn eine andere Pflicht?
    »Mann«, drang eine rauhe Stimme in sein Ohr, »worauf warten Sie? Raus aus dem Watt, es ist allerhöchste Zeit!« Detlev Padenberg.
    Jens schaute sich um, sah den Architekten, der ihm winkte. Der Schatten beim Deich bewegte sich nicht mehr. Yvonne starrte gebannt auf die Szene, die sich ihr darbot. Jens warf sich den Körper der Ohnmächtigen über die Schulter. Keuchend unter der Last, watete er im Schlamm zurück zum Deich, nun wieder beseelt von dem Willen, den Wettlauf mit der Flut zur rettenden Küste zu gewinnen.
    »Schneller!« rief Padenberg ihm zu.
    Die Füße im saugenden, quatschenden Schlick wurden ihm zentnerschwer.
    Das Rollen und Donnern des Meeres kam näher.
    »Schneller, verdammt noch mal! Nicht einschlafen!«
    Ich trete ihn in den Arsch, wenn ich ihn erreiche, dachte Jens, der vor Überanstrengung schon abwechselnd schwarze und rote Ringe vor den Augen sah. Es war aber so, daß dem provozierenden Verhalten Padenbergs ein durchaus ehrenwertes Motiv zugrunde lag. Aus Jens mußte das Letzte herausgeholt werden. Und das war nur so zu erreichen.
    Detlev konnte die Situation klarer überblicken als Jens. Normalerweise gab es für Jens – und damit auch für Carola – keine Rettung mehr, die beiden waren verloren. Alle Zurufe wären deshalb an sich sinnlos gewesen. Detlev hatte aber etwas gesehen, das dem unter Carolas Last gebeugten Jens bis zu diesem Moment noch entgangen war. In der Nähe des Deichs, von links kommend, war ein Punkt aufgetaucht, der rasch größer wurde. Was oder wer mochte sich in diesen letzten Minuten noch im Watt befinden? Detlev fand keine Antwort auf diese Frage, doch als der Punkt immer größer wurde, Formen gewann, Umrisse annahm, war zu erkennen, daß es ein Mann auf einem Wattschlitten war, der schnell und wendig über den Schlamm sauste.
    Das ist die Rettung, durchzuckte es Padenberg. Ein Schlitten!
    Es war das Leben, das von dort herannahte.
    »Nach links!« schrie Padenberg Jens zu, und nun sah auch dieser das Gefährt. Von einem Mann mit dem Fuß über den Schlamm dahingestoßen, schien es unglaublich leicht heranzugleiten.
    Geschafft, hämmerte es in Jens, und jetzt, da er die Rettung vor Augen hatte, war er mit seinen Kräften schlagartig am Ende. Er taumelte und sank gerade in dem Augenblick zu Boden, als Per Fringold von seinem Schlitten sprang und ihn stützen wollte.
    Mit ausgeruhten, kräftigen Armen lud Per die immer noch ohnmächtige Carola Burghardt und den völlig ausgepumpten Jens Kosten auf das schmale Brett des Schlittens, klemmte sich selbst dahinter und hob das Bein, um sich wieder abzustoßen. Das mußte alles schnell gehen, doch noch einmal war ein Stopp nicht zu vermeiden. Detlev Padenberg kam heran.
    Nach einem Blick auf Carola sagte er zu Jens: »Bravo, Junge!« Jens sah durch ihn hindurch.
    Padenberg glaubte noch hinzusetzen zu müssen: »Ich werde dich für die Lebensrettungsmedaille vorschlagen.«
    »Hau ab, Mann!« erwiderte Jens Kosten nur.
    »Vorsicht!« rief Perl Fringold. »Wir müssen weg!«
    Padenberg war ihm im Weg. Er wollte ihn nicht über den Haufen fahren. Im nächsten Augenblick setzte der Sturmritt des Schlittens über den Wattstreifen, der eine Region des Todes war, bis hin zum Fuß des rettenden Deichs ein. Dort stand Yvonne Padenberg und streckte die Hand aus, um ihre Hilfe anzubieten, die aber ausgeschlagen wurde. Per schleppte Carola den Abhang hinauf; Jens versuchte den Anstieg aus eigener Kraft und schaffte ihn auch. Oben auf der Kuppe setzte er sich in das nasse, harte Gras, das spärlich auf dem Deich wuchs. Mit unendlich müdem, fast gleichgültigem Blick sah er die ersten Wogen heranrollen.
    Detlev Padenberg wußte, daß es für ihn hier nichts mehr zu bestellen gab. Die
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