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Und das Leben geht doch weiter

Und das Leben geht doch weiter

Titel: Und das Leben geht doch weiter
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wäre normalerweise um diese Zeit ohnehin nicht zu Hause gewesen, aber bei diesem Wetter war an Fischfang auf dem Meer nicht zu denken, deshalb hatte Per heute in seinem Winkel gesessen und Netze geflickt.
    »Was macht er jetzt?« fragte Padenberg aufgeregt.
    »Er ist draußen … und sucht sie«, antwortete die alte Fringold.
    Padenberg sprang, seine Frau anblickend, auf.
    »Wir müssen auch raus!« stieß er hervor.
    »Lies doch erst mal den Brief«, meinte Yvonne.
    Der Umschlag lag immer noch ungeöffnet auf dem Tisch. Detlev riß ihn auf und holte den Brief heraus. Er setzte sich hin und begann zu lesen:
    Detlev!
    Was hast du getan? Warum?
    Mein Herz ist leer, meine Augen sind es auch, ich kann nicht mehr weinen.
    Ich habe Dich unendlich geliebt, ich glaubte seit heute, Dich hassen zu können, wenigstens zu verachten, und weiß nun, daß mir beides nicht gelungen ist. Ich muß Dich nach wie vor lieben – aber nicht mehr lange, und darum bin ich froh. Diese Liebe wäre mir als Last zu schwer. Du hast mich nämlich mißbraucht.
    Ich habe eine kurze Zeit geglaubt, daß Liebe das Schönste auf dieser Welt sei, und mußte erfahren, daß es das Schmerzlichste ist, was einem vom Schicksal zugedacht werden kann.
    Lebe wohl, Detlev.
    Ich gehe.
    Du solltest wissen, daß ich Dir verziehen habe.
    Ob Du Dir aber selbst auch jemals verzeihen kannst?
    Carola
    Detlev ließ das Blatt sinken, starrte darauf, schob es über den Tisch hinüber zu Yvonne, deren Erschütterung nicht lange auf sich warten ließ.
    Sie wischte sich über die Augen.
    »Detlev …«, es war mehr ein Flüstern als ein Sprechen, »… ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dieses Mädchen …«
    »Yvonne, ich habe doch nicht gedacht …«
    »Das kann sein, aber …«
    »Das Ganze ist übertrieben, sieh mal …«
    »Hast du ihren letzten Satz gelesen, du weißt, die Stelle, an der sie …«
    »Der Per ist doch ein kräftiger Bursche. Warum konnte er nicht …«
    »Der Per«, mischte sich die alte Fringold zur Verteidigung ihres Sohnes ein, »hätte Gewalt anwenden müssen, um das Mädchen zurückzuhalten. Das meinen Sie doch, Herr Padenberg?«
    Gepeinigt von Selbstvorwürfen, wurde Detlev ungerecht.
    »Jawohl, Frau Fringold! Und warum nicht mit Gewalt, verdammt noch mal?«
    »Aber doch nicht gegen ein so feines Fräulein. Das gehört sich nicht, Herr Padenberg.«
    Detlev winkte mit der Hand und erhob sich. Er sagte: »Wenn wir hier noch lange rumsitzen …«
    Er sprach nicht zu Ende, holte aus dem Schrank rasch wetterfestes Zeug, in das er und Yvonne schlüpften. Der Mantel für Yvonne, der ebenfalls Detlev gehörte, reichte ihr fast bis zu den Knöcheln und hatte viel zu lange Ärmel für sie. Aber was spielte das jetzt für eine Rolle! Die alte Fringold wurde nach Hause geschickt. Sie sollte dort die Stellung halten, wie Detlev zu ihr sagte. Dann liefen sie hinaus, dem Deich entgegen.
    Detlev hörte hinter sich Yvonnes Schritte, die als ambitionierte Tennisspielerin sportlich geübt war und über eine ausreichende Kondition verfügte, um mit Detlev mithalten zu können. Gemeinsam rannten sie den Deich entlang.
    Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Detlev hielt tief atmend im Laufen inne und blickte sich um. Er schaute in Yvonnes gerötetes und angstvolles Gesicht und schwieg. Beide wußten: Wenn Carola ins Meer gegangen ist, wird auch unser Leben unter dieser Last zerbrechen.
    »Du kennst dich hier aus«, sagte Yvonne. »Wohin könnte sie gegangen sein?«
    »Überallhin, das ist ja das Vertrackte. Verdammte Sch …«
    Wer hätte in diesem Augenblick nicht Verständnis gehabt für Detlevs Ausruf! Yvonne jedenfalls zuckte keineswegs zusammen.
    Sie liefen weiter den Deich entlang. In Abständen blieb Detlev immer wieder stehen und spähte durch den Dunst. Wenigstens Per müßte doch hier herumgeistern, dachte er, und im selben Augenblick schien es, als ob Yvonne seinen Gedanken hätte lesen können, denn sie sagte: »Dieser Per, wo mag der nur sein?«
    »Das frage ich mich auch«, antwortete Detlev.
    »Wer ist das eigentlich?«
    »Der Sohn der alten Fringold. Ein Nachzügler.«
    »Dann kann die doch noch gar nicht so alt sein, wie sie aussieht.«
    »Aussehen tun hier alle so. Was glaubst du, wie hart das Leben für die ist!«
    »Und Pers Vater, wo ist der?«
    »Schon vor Jahren ertrunken. Der Junge mußte praktisch von Kindesbeinen an seiner Mutter unter die Arme greifen.«
    Detlev wollte weitergehen, aber Yvonne hielt ihn noch einmal am Arm
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