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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes
Autoren: Kristen Callihan
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Prolog
    Warum dein Antlitz so bleich von Müdigkeit,
    ist’s der Weg zum Himmel, die Erdenwacht?
    Dein Weg ist weit in Einsamkeit
    Zwischen Sternen, deren Herkunft nicht die Nacht.
    Shelley
    London, 1. April 1883
    Gütiger Herr im Himmel, gab es einen schöneren Anblick als eine vor Leidenschaft glühende Frau mit rosig schimmernder Haut, deren Busen bei jedem seiner Stöße hüpfte? Die Frau, die unter Ian lag, stöhnte und drängte sich ihm entgegen. Das rotgoldene Haar, das über das weiße Leinen strömte, strahlte im Licht der nachmittäglichen Sonne. Was gab es Besseres, als einer Frau beizuliegen? Einer bezahlten Frau. Wollte sie das hier wirklich? Wollte sie ihn? Er runzelte die Stirn, als er spürte, dass seine Konzentration auf Abwege geriet und damit auch die lustvolle Anspannung in anderen Körperregionen nachließ.
    Mist. Halt durch, Junge!
Die aufgestemmten Arme knickten einmal kurz ein. Einmal. Doch das reichte, um ihn aus dem Takt zu bringen. Es reichte, um ihn plötzlich den Geruch billigen Parfüms und muffiger Bettwäsche wahrnehmen zu lassen. Und dann stieg ihm auch der widerliche Gestank einer häufig benutzten Frau und von Langeweile in die Nase. Seine Lust verebbte wie eine ins Meer zurückweichende Woge.
Verdammt!
    Die Hure erstarrte und zog die schmalen, roten Brauen verwirrt zusammen.
    Bei der Stange bleiben! Nicht den Kopf verlieren!
Leider ließen sich beide Körperregionen nicht dazu herab, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Eher das Gegenteil. Kaltes Entsetzen erfasste ihn bei der Gewissheit, dass der kleine Ian einem schnellen, schlaffen Tod anheimfiel.
    »Mylord?« Jetzt hob die Hure auch noch den Kopf und sah ihn aus grünen Augen bestürzt an. Sie sah dem Original so ähnlich. Aber eben nur ähnlich. Und das reichte nicht mehr. »Stimmt irgendetwas nicht?«
    Einen Moment lang wusste Ian nicht, was er sagen sollte. Ja, wirklich, was antwortete man auf so eine Frage? Ihm fehlte die Erfahrung, um das zu wissen. Ihre Verwirrung ließ nach und wurde durch etwas Schlimmeres ersetzt: sanftes Mitleid.
    »Ach, mein Süßer. Ist schon gut.« Sie tätschelte seinen Arm, während er weiter starr vor Entsetzen war … mit Ausnahme des kleinen Ian. Der faule Kerl glitt aus ihr heraus und verzog sich wie eine verängstigte Schildkröte. Sie besaß den Anstand, sich nichts anmerken zu lassen, sondern sah ihm weiter in die Augen. »Das passiert jedem mal.«
    Mir nicht!
Er riss sich von ihr los und wälzte sich auf den Rücken, um die vergoldete Decke anzustarren. Vielleicht würde sich ja die Matratze unter ihm auftun und ihn zur Gänze verschlingen. »Ich bin ziemlich müde, äh …?« Hatte sie einen Namen? Hatte er überhaupt gefragt? Feuchte Kälte breitete sich auf seiner Haut aus und erfasste seinen ganzen Körper. Ian hätte am liebsten die Augen geschlossen und ein paar Jahrzehnte geschlafen. Vergessen zu finden, wurde immer schwieriger.
    Die Frau stützte sich mit dem Ellbogen auf, um ihn zu betrachten. Im kalten Licht wirkten die Linien um Augen und Mund ausgeprägter und sprachen deutlich von einem harten Leben, das sich viel zu schnell aufbrauchte. »Ja, es ist nur die Müdigkeit.« Wieder so ein Tätscheln, als würde man einen alten Hund trösten, der zu nichts mehr nütze war. Dann setzte sie sich auf. Das Bett knackte, als sie die Beine über die Kante schwang und dabei das volle Haar über eine knochige Schulter warf. »Wir brauchen nicht mehr davon zu reden.«
    Er kam mit einem Ruck hoch und fuhr sie an: »Nein. Brauchen wir nicht.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch, und das angstvolle Beben, das sie durchfuhr, verstärkte den durchdringenden Geruch ihres Parfüms. Ian zwang sich, die verzerrten Gesichtszüge wieder zu glätten und durchzuatmen. Er hatte geknurrt.
Verdammt.
Reiß dich zusammen!
Doch der Wolf in ihm war in letzter Zeit immer schwerer zu bändigen. Er bemühte sich um eine entspannte Miene, als er nach seiner Jacke griff. »Ich habe dir kein Vergnügen bereitet, Mädchen, und das tut mir leid.«
    Das Schnauben, das sie ausstieß, war eine Mischung aus Erheiterung und Entsetzen. Um ihre Mundwinkel zuckte es. »Um es mal ganz deutlich zu sagen, Sir: Es ist ja wohl nicht Ihre Aufgabe, mir Vergnügen zu bereiten, oder?«
    Ian lachte kurz auf. »Ach, Jeanine, deine Ehrlichkeit ist wirklich entwaffnend.«
    Jeanine. So hieß sie, oder wohl doch eher Jenny. Trotz einiger spezieller Techniken war sie so französisch wie ein englischer Cheddarkäse. Er zog viel mehr Geld aus
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