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Und das Leben geht doch weiter

Und das Leben geht doch weiter

Titel: Und das Leben geht doch weiter
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lange, Carola dagegen war Frühaufsteherin. So kam es, daß Carola wieder einmal ohne seine Begleitung in voller Schiausrüstung das Hotel verlassen hatte. Die Brust war ihr weit geworden angesichts der sogenannten weißen Pracht, von der sie sich umgeben sah. Sie liebte den Betrieb an den Liften nicht gerade, suchte mehr die Abgelegenheit, scheute keinen Anstieg, schwitzte und stand nun, zufrieden mit sich selbst, oben auf einem Hang und spähte, wie bereits erwähnt, hinunter ins Tal. So schön war der Blick, daß ihr jeder, der ihn versäumte, weil er noch im Bett lag (Jens!), nur leid tun konnte.
    Carola Burghardt war im Flachland aufgewachsen. Für die Gefahren der Berge, die urplötzlich hereinbrechen konnten, hatte sie kein Gespür.
    Noch einmal wollte sie das ganze Bild, das sich ihr darbot, in sich aufnehmen. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse, was, mit den Brettern an den Füßen, gar nicht so einfach war. Auf diese Weise mit sich selbst beschäftigt, merkte sie nicht, daß von der Seite ein ebenso einsamer Schifahrer wie sie auf sie zukam und kurz vor ihr mit einem eleganten Schwung hielt.
    »Na«, sagte er lachend, »wohin des Weges?«
    Woher, mußte er nicht fragen, denn das war deutlich an den Spuren zu sehen, die Carola im Schnee hinterlassen hatte. Er sprach hochdeutsch, aber mit einem leichten Akzent, den Carola sofort als den ihrer Heimat erkannte. Der Unbekannte stammte also auch von der Waterkant. Er war groß, schlank, sportlich; er konnte, wie er schon ein wenig nachgewiesen hatte, Schi fahren. Wenn er lachte, zeigte er schöne Zähne. Er sah überhaupt nicht schlecht aus. Trotzdem trennte ihn von Carola, wie diese innerlich ganz spontan feststellte, feststellen mußte, eine Welt, genauer gesagt, eine Welt der Jahre. Er war – schätzungsweise – schon ein Enddreißiger.
    Ein alter Mann also!
    Er hätte grüßen können, dachte Carola hanseatisch kühl, das ist bei uns zu Hause so üblich.
    Obwohl das überall so üblich ist, glauben die Hanseaten, diesbezüglich gegenüber anderen einen Vorsprung zu haben.
    »Nun«, sagte der ›Greis‹, »Sie wissen anscheinend noch nicht, wohin Sie sich wenden wollen, oder Sie wollen es mir nicht sagen.«
    »Ich bin mir noch nicht schlüssig.«
    Jetzt war ihm der hanseatische Akzent nicht entgangen, den auch Carola nicht völlig unterdrücken konnte.
    »Wir sind Landsleute«, sagte er erfreut. »Kommen Sie regelmäßig hierher zum Wintersport?«
    »Dazu bin ich noch zu jung«, antwortete sie leicht boshaft. »Ich habe es heuer zum erstenmal geschafft.«
    »Und wo haben Sie Schifahren gelernt?«
    »Im Schwarzwald. Ich kann es aber noch gar nicht richtig, ich rutsche nur so herum«, erwiderte Carola und fügte hinzu: »Dort wohnt eine Tante von mir.«
    Warum erzähle ich ihm das eigentlich? rügte sie sich innerlich. Das geht ihn doch gar nichts an. Außerdem wirft es ein schlechtes Licht auf mich, wenn ich so viel rede. Erstens bin ich Hamburgerin und zweitens eine junge Dame. Vergiß das nicht, hat meine Mutter immer gesagt.
    »Sie haben recht, ich bin ein alter Sack«, schreckte er sie aus ihren Gedanken auf.
    »Wie bitte?«
    »Das wollten Sie mir doch vorhin unter die Nase reiben.«
    »Aber nein!«
    »Doch, doch, und warum auch nicht, es stimmt ja. Ich trage an der Last meiner Jahre. Einundvierzig sind's bald.«
    »Ich hätte Sie jünger geschätzt.«
    »Methusalem«, meinte er lachend, »wird auch von manchen jünger geschätzt. Die glauben, daß er nur 960 Jahre alt wurde, und nicht 990.«
    Trübsalbläser ist er keiner, fand sie und lachte ebenfalls.
    Ein verdammt hübsches Mädchen, dachte er. Wie kommt es allein hierher? Wenn es lacht, stellt es alle Mädchen in den Schatten, deren ich mich entsinnen kann.
    Und das waren nicht wenige, sei hinzugefügt, auch wenn Detlev Padenberg daran in diesem Augenblick nicht dachte.
    Detlev Padenberg hieß der Mann. Er war Architekt, Fachmann für Deichbauten, und kam aus Flensburg. Mit Schiern hatte er sich in frühesten Kindheitsjahren vertraut gemacht, als seine Mutter im Krieg zusammen mit ihm ins Allgäu evakuiert worden war.
    »Sie sagten, wir seien Landsleute«, setzte Carola gegen ihren Willen das Gespräch fort.
    »Ja. – Etwa nicht?«
    »Sind Sie …«
    Carola stockte. Sind Sie Hamburger? hatte sie ihn fragen wollen, doch das tut man nicht, sagte sie sich rechtzeitig und bewältigte das Problem von der anderen Seite.
    »Ich bin Hamburgerin«, korrigierte sie sich.
    »Ich bin Flensburger, aber
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