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Und das Leben geht doch weiter

Und das Leben geht doch weiter

Titel: Und das Leben geht doch weiter
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schwieg.
    »Vor mir?«
    Ja, das hatte sie, aber sie log: »Nein.«
    »Wovor dann?«
    »Wir könnten verhungern«, sagte sie.
    »Ausgeschlossen! Man verhungert nicht in einigen Tagen. Dazu braucht man Wochen. Sie glauben nicht, wie lange es der Mensch ohne Nahrung aushält. Etwas anderes ist es mit dem Verdursten. Doch in dieser Hinsicht besteht für uns überhaupt keine Gefahr, das sagte ich Ihnen bereits.«
    »Sie glauben also, daß wir hier rechtzeitig wieder rauskommen?«
    Er lächelte sie beruhigend an.
    »Ich bin sicher, Carola.«
    »Und wenn wir vorher ersticken?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wir könnten doch zuschneien. Ich habe noch nie solche Schneemassen vom Himmel herunterkommen sehen.«
    »Sollte es nicht vorher aufhören, so ist das lockerer, luftdurchlässiger Schnee, der auf die Hütte zu liegen kommt, und nicht eine zusammengepreßte Lawine. Keine Sorge, mein Kind, wir sind hier so sicher wie in Abrahams Schoß.«
    Erstens ärgerte sie Abrahams Schoß. So plump könne man ihr nicht kommen, fand sie.
    Und zweitens sagte sie mit Nachdruck: »Ich bin kein Kind!«
    »Nein«, antwortete er schlicht.
    »Und sicher wie in Abrahams Schoß sind wir bestimmt auch nicht.«
    »Doch, doch, das sind wir.«
    »Sie vielleicht, ich nicht!«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Für Ihre Sicherheit mag es Ihnen ausreichend erscheinen, daß Sie nicht verhungern, nicht verdursten, nicht erfrieren und nicht ersticken. Für mich kommt noch etwas hinzu.«
    »Was?«
    Nun wollte sie nicht länger lügen, sondern ihm die Wahrheit ins Gesicht sagen.
    »Ich bin Ihnen ausgeliefert«, erklärte sie.
    »Vor einer Minute noch versicherten Sie mir, daß dieser Umstand keinerlei Befürchtung in Ihnen auslösen würde.«
    »Von einer Minute auf die andere hat schon oft etwas ganz anders ausgesehen.«
    Jeder andere Mann wäre wahrscheinlich beleidigt gewesen, aber Detlev Padenberg behielt seinen heiteren Gleichmut. Er entgegnete: »Eigentlich sollte ich sagen, Ihr Verdacht, den Sie plötzlich gegen mich hegen, ehrt mich. Sie sehen in mir keinen Eunuchen. Aber …«
    Carola weinte plötzlich.
    »Was ist denn, was haben Sie?« rief er und kam rasch auf sie zu.
    Die Antwort war ganz einfach. Carolas Nerven waren gerissen, nachdem sie ohnehin schon viel zu lange standgehalten hatten. Das gräßliche Abenteuer, das hinter ihr lag, nein, in dem sie noch mittendrin steckte, ging über ihre Kräfte. Padenberg setzte sich zu ihr auf die Bank und legte den Arm um ihre Schulter. Er sprach kein Wort mehr, hielt sie nur fest, und das tat ihr gut. Mit der Zeit begann ihr Tränenstrom wieder zu versiegen.
    »Entschuldigen Sie«, bat sie.
    »Was denn?«
    »Ich bin sonst nicht so … so unbeherrscht.«
    »Sie sind ein sehr, sehr tapferes Mädchen. Ihre Tränen sind die natürlichste Sache der Welt. Eigentlich wären die längst fällig gewesen, und ich habe mich gefragt, wo sie so lange bleiben.«
    Er nahm den Arm von ihrer Schulter und rückte ein bißchen von ihr weg. Sie empfand das als Verlust. Sie wußte jetzt, daß ihr von diesem Mann keine Gefahr drohte.
    War das wirklich der Fall? Woher wollte sie das eigentlich wissen?
    Jens Kosten riß eine neue Zigarettenpackung an; den Inhalt der ersten hatte er inzwischen verbraucht. Er sprach wieder mit Direktor Senden.
    »Man muß doch etwas tun!« sagte er aufgeregt.
    Senden zuckte ratlos mit den Schultern.
    »Was denn?«
    »Das fragen Sie mich?« antwortete Jens. »Sie müssen das doch wissen, nicht ich!«
    Im Hotel war herumgefragt worden. Dabei hatte sich, wie bei einem Mosaik Steinchen um Steinchen, die erschreckende Wahrheit herausgestellt. Ein Kochlehrling hatte Abfall weggebracht und gesehen, daß sich eine junge Dame vor dem Haus die Schier angeschnallt hatte.
    »Welche junge Dame?« war er gefragt worden.
    Wie sie hieß, wußte er nicht. Ihre Zimmernummer auch nicht.
    »Welche Farbe hatte ihr Schianzug?«
    »Blau.«
    »Die Mütze?«
    »Rot.«
    »Sprach sie mit dir?«
    Das hatte sie nicht getan, es war auch kein Anlaß dazu gewesen.
    »War sie groß, klein, schlank oder mollig? Wie sah sie aus?«
    Die Antwort darauf faßte der Vierzehnjährige in einem Wort zusammen. Sie lautete: »Spitze.«
    Gegenüber den beiden anderen Lehrlingen in der Küche äußerte er sich später noch folgendermaßen: »Ein Rasseweib, sage ich euch. Genau mein Geschmack.«
    Alle Angaben paßten auf Carola Burghardt. Von einer Lederwarenfabrikantin aus Offenbach, die aus dem Fenster geschaut hatte, war sie gesehen worden, wie
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