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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion
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    Glänzender Stahl, glänzender Stahl…
    Blinzelnd rückt Larsen auf der Rolltrage hin und her, während sie unter einer Reihe von Lichtpaneelen und Querstreben entlanggleitet. Zusammen mit der Sehfähigkeit kommt auch das Wiedererkennen: verschwommen, langsam; sie ist im Hauptkorridor. Jede Metallstrebe über ihr reflektiert das Licht, und während sie dahinrollt, wird aus dem Glitzern eine strahlende Helligkeit, die sich wieder abschwächt zu einem Glitzern. Sie vermutet, dass dieser stetig wiederkehrende helle Schein sie geweckt hat. Das oder ihr Knie, in dem ein heftiger Schmerz wütet, sogar durch das übliche Gefühl der Benommenheit und des Schwebens hindurch, das die Dekantierungsdrogen hervorgerufen haben. Eine ihrer Hände ruht in Höhe ihrer Brust auf dem dünnen Gewebe ihres Kryokappen-Anzugs. Kühle Luft auf ihrer Haut sagt ihr, dass sie ansonsten nackt ist. Zusammen mit dieser Erkenntnis überkommt sie ein unheimliches Gefühl des Déjà-vu. Sie hüstelt, in den Tiefen ihrer ausgepumpten Lungen befinden sich noch Überreste des Tankgels. Erneut bewegt sie sich leicht und murmelt etwas in sich hinein.
    … nicht schon wieder…?
    »Schon wieder, ja. Das Kormoran-Vermächtnis, ja, schon wieder.«
    Merkwürdig. Sie hat keine andere Stimme erwartet, am allerwenigsten eine, die in Rätseln spricht. Das Dekantieren ist normalerweise ein völlig mechanisierter Vorgang, das Datahead ist dazu programmiert, sie vor der Ankunft zu wecken, und falls nicht etwas schief gegangen ist…
    Also bist du jetzt die große Expertin für Kryokappen, ja?
    Das ist sie nicht – ihre gesamte bisherige Erfahrung beschränkt sich auf drei Übungs-Dekantierungen sowie die eine richtige am Ende der Hinreise. Daher, so nimmt sie an, das Gefühl des Déjà-vu. Aber dennoch…
    … mehr als drei…
    … es ist nicht mehr, es ist nicht…
    Die Heftigkeit der Erwiderung hat etwas Abgerissenes an sich, das ihr nicht gefallt. Wenn sie so etwas bei einer anderen Person vernähme, beispielsweise bei einem Testsubjekt, dächte sie sofort daran, Beruhigungsmittel zu geben, vielleicht sogar, die Sicherheitskräfte zu rufen. In ihren eigenen Gedanken ruft es ein jähes, vertrautes, furchterregendes Frösteln hervor, wie bei der Erkenntnis, dass eine weitere Person im Haus ist, jemand, den man nicht eingeladen hat. Wie bei dem aus heiterem Himmel hereinbrechenden Gedanken, dass man geistig vielleicht nicht völlig gesund ist.
    Das sind die Drogen, Ellie. Lass los, du wirst’s schon überstehen.
    Glänzender Sta…
    Die Rolltrage stößt irgendwo an, als sie eine Rechtskurve nimmt. Aus irgendeinem Grund lässt das ihren Puls plötzlich rasen, eine Reaktion, die sie, unter Drogen stehend, fast träge ›Panik‹ nennt. Das Erschauern vor einem unmittelbar bevorstehenden Verhängnis tröpfelt wie kaltes Wasser in sie hinein. Sie werden abstürzen, sie werden mit etwas zusammenstoßen, oder etwas wird mit ihnen zusammenstoßen, etwas Massives und Uraltes, das jenseits des menschlichen Verständnisses endlos durch die leere Nacht draußen vor dem Schiff taumelt. Raumfahrt ist eine gefährliche Angelegenheit, sie war wahnsinnig, je etwas anderes anzunehmen, wahnsinnig, den Vertrag zu unterzeichnen und zu glauben, sie könne davonkommen, heil und ganz wieder heimkehren, als wäre es nichts weiter als ein Suborbitalflug über den Pazifik, man konnte einfach nicht…
    Lass los, Ellie. Das sind die Drogen.
    Dann kommt ihr die Erkenntnis, wo sie ist. Die zusammengelegten, spinnenhaften Arme des Autochirurgen fahren durch einen Quadranten ihres Blickfelds, als die Trage neben dem Untersuchungstisch stehen bleibt. Erleichterung macht sich in ihr breit. Etwas ist nicht in Ordnung, aber sie ist am richtigen Ort. Horkan’s Pride ist mit den besten auto-medizinischen Systemen ausgestattet, die COLIN zu bauen versteht, hat sie in einem Magazin der Kolonie gelesen, die gesamte KI-Einrichtung an Bord war wenige Wochen vor ihrer Abreise überholt worden. Und sieh mal, es gibt Grenzen für das, was einem Leib im Tiefkühlzustand zustoßen kann, stimmt’s, Ellie? Alles Organische verlangsamt zu eisiger Trägheit, genau wie alles Feindliche, das man in sich tragen mag.
    Aber die Panik, das Gefühl einer unausweichlichen Nemesis, will sie nicht loslassen. Sie spürt es dumpf und beharrlich, wie ein Hund, der sich um eine betäubte Pfote sorgt.
    Sie dreht den Kopf auf der Trage zur Seite und sieht ihn.
    Noch mehr Vertrautes durchzuckt sie, wesentlich heftiger, wie
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