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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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kannte dieses Stadium auch
bei mir. Wenn die Rosl einmal so richtig loslegte, war sie nicht mehr zu
bremsen. Dann erzählte und betete sie in einem dahin. Und weil ich persönlich
einen ziemlichen Respekt vor göttlichen Strafblitzen habe, würde ich mir auch
nie verbitten, dass sie weiterbetet.
    Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte ich auf Max’ »also« auch
antworten? Also was? Wollte er von mir wissen, ob ich die Kiste mit Knochen da
abgestellt hatte? Ob ich sie aus reiner Bosheit gerade heute gefunden hatte,
akkurat an dem Tag, an dem er eigentlich zur Autowerkstatt musste, weil sein
blöder Audi ständig »Service jetzt« blinkte?
    Â»Wer macht denn so etwas?«, fragte Großmutter und schüttelte den
Kopf.
    Die Rosl sah sie misstrauisch an.
    Oh. Oh.
    Den Blick kannte ich. Das war dieser Spezialblick. Der normalerweise
besagte: Haben die Wilds jemanden umgebracht oder nicht? Und ist das der Vater
von der Lisa oder nicht?
    Das war nun schon unsere dritte Leiche. Und irgendwie hoffte ich
fast, dass diese Knochen von meinem Vater stammten. Dann wäre bei den nächsten
Leichen wenigstens diese Frage aus der Welt.
    Â»Aber kein Wunder«, trompetete Großmutter weiter. »Bei unserem
Friedhof.«
    Â»Bei unserem Friedhof?«, hakte Max nach und wandte sich wieder
meiner Großmutter zu.
    Oh. Oh. Das wollte jetzt bestimmt niemand hören. Ich hoffte, dass
meine Großmutter spontan vergessen würde, was sie gerade sagen wollte.
    Â»Lauter Wachsleichen«, sagte Großmutter. »Da wirst nach zwölf Jahren
ausgegraben und bist noch wie am ersten Tag. Und dann musst natürlich
weiterzahlen.«
    Â»Die Grabkosten«, setzte sie erklärend hinzu. »Des Grab von der Jedl
Erna hätten s’ schon längst eingeebnet, wenn sie ned so a Wachsleiche wär. Und
des kost. Da musst dann zahlen. Noch einmal zwölf Jahre. Und wer weiß, ob sie
dann endlich zu Staub geworden ist«, fügte sie pathetisch hinzu. Denn das würde
noch einmal zwölf Jahre Grabkosten bedeuten. Und ständig Blumenschalen neu
befüllen und sich darum streiten müssen, wer nun bei vierzig Grad im Schatten
losziehen muss, um die Blumenschalen zu gießen. Weil die nix aushalten, die
Blümln.
    Max sah mich wieder an.
    Ich sah hinauf zu den Weiden, in denen anmutig die Meisen
herumflitzten, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Klar. Das klang
logisch. Da hatte einer seinen Opa ausgegraben, als Wachsleiche in eine Kiste
gesteckt und im Orgelaufgang verrotten lassen. Danach hätte er ihn wieder
eingegraben und so getan, als wäre nichts gewesen. Wenn das überhandnahm, dann
käme man bald nicht mehr zur Orgel hoch. Alles vollgestellt mit Wachsleichen,
die endlich zu Staub werden durften. Wenn das nicht logisch war, wusste ich
auch nicht.
    Außerdem waren wir dann fein aus dem Schneider und komplett
unverdächtig. Weil wir unseren Grabplatz nämlich nicht aufgeben werden.
Großmutter hat ihn in weiser Voraussicht schon für die nächsten fünfundzwanzig
Jahre gezahlt, damit sie auch garantiert ihren Frieden hat.
    Der Schorsch hatte die Rosl und Großmutter mit aufs Revier
genommen. Max hingegen hatte beschlossen, mich noch einmal ganz privat zu
verhören.
    Fürs Erste sahen wir uns nur resigniert an. Nicht schon wieder.
Nicht schon wieder diese Situation, ich die Zeugin und er der Polizist.
Immerhin hatte ich jetzt verstanden, wieso ich bei unserer Silvesterfeier beim
Bleigießen so seltsame Würstln gegossen hatte. Das war tatsächlich Hundekacke
gewesen, wie Max schon vermutet hatte, und sollte wahrscheinlich heißen, dass
dieses Jahr besonders beschissen werden würde.
    Â»Das macht wirklich keinen Spaß«, erklärte er mir, während ich mich
gegen die Kirchmauer lehnte. Ach was. Als hätte ich je behauptet, es wäre ein
Spaß, Knochen und Leichen zu finden.
    Â»Mir aber«, erklärte ich ohne Begeisterung. »Das überlege ich mir
jeden Morgen. Wo könnte ich nur eine Leiche finden?«
    Er stützte sich mit einer Hand neben meinem Kopf ab und sah mich an.
    Â»Dann gehe ich los und suche. Vorzugsweise in Orgelaufgängen«,
erklärte ich und blitzte ihn wütend an. »Da suche und suche ich dann. Gestern
noch habe ich gesagt, Max, komm zum Frühstücken. Wenn du zum Frühstücken
gekommen wärst, dann wäre das alles nicht passiert. Großmutter wäre nie zum
Putzen
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