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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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um das nächste Lied zu suchen. »Als wenn er nicht wenigstens
einen Satz zu dem Kistl sagen könnt.«
    Â»Vielleicht hat er die Predigt gestern schon fertig gehabt und
wollte sie nicht mehr ändern«, schlug ich so leise wie möglich vor.
    Â»Ah, geh«, erwiderte sie viel zu laut. »Ein bisserl flexibel könnt
er da schon sein.«
    Â»Pscht«, flüsterte ich.
    Â»Wieso, pscht?«, fragte Großmutter ärgerlich nach und raschelte mit
dem Papier. »Ist doch wahr.«
    Â»Ich muss zuhören«, erklärte ich und wurde rot.
    Â»Zuhören?«, fragte sie und schüttelte zungenschnalzend den Kopf,
vermutlich, weil sie genau wusste, wie genau ich gerade zuhörte.
    Wenn man nämlich gleichzeitig versucht, Großmutter am Reden zu
hindern, sich nicht zu schämen und das zu verstehen, was die Rosenkranztanten
vor einem tuscheln, kann auch der versierteste Zuhörer nichts mehr verstehen.
    Nach dem Schlusssegen sah ich zu, dass ich möglichst schnell aus
der Kirche kam, und wartete vor der Kirche auf Großmutter. Ich wollte nichts
mehr über Knochen, Pfarrer und Leichen hören, sondern nur noch nach Hause.
Außerdem war es wieder kalt geworden. Als hätte es sich der Frühling anders
überlegt, bei diesen Zuständen bei uns im Dorf. Ich schubste ein Weidenkätzchen
die Stufen hinunter. Gestern noch hatten sie wie lauter süße puschelige
Mäuschen ausgesehen. Jetzt lagen sie in einem Haufen auf der untersten Stufe
und sahen aus wie lauter tote puschelige Mäuschen. Und dann noch die Blicke der
anderen. Diese »Ist das nun endlich Lisas Vater?«-Blicke, die »Wieso findet
Lisa ständig Leichen?«-Stirnrunzler und das stillschweigende »Hat die nix
anderes zu tun? Das muss doch was zu sagen haben. Wer weiß, vielleicht hat sie
ja doch all die Leichen in unserem Dorf auf dem Gewissen«.
    Als sich die Kirchentür schließlich öffnete, sahen all die alten
Weiber erstaunlicherweise überhaupt nicht aus, als wären sie davon überzeugt,
dass ich schon wieder meinen toten Vater gefunden hatte.
    Â»Burn-out«, sagte Großmutter gerade, als sie die Kirchentür öffnete
und so nett war, mir noch eine Ladung geweihtes Wasser ins Gesicht zu sprengen.
Genau genommen sagte sie: »Der Daschner hat halt einen Börnaut.« Kein Wunder.
Bei der Anzahl von Leichen, die man bei ihm in der Kirche fand, konnte man
schon ausbrennen.
    Ich hatte zum Börnaut des Pfarrers meine ganz persönliche Meinung.
Er hatte einige Jahre mit Anneliese eine wunderbare Beziehung gehabt. Er hatte
ihr zwei Kinder gemacht, die sie mit ihrem angetrauten Ehemann großzog. Und
diese Beziehung zwischen Anneliese und dem Pfarrer war letzten Winter in die
Brüche gegangen. Aus psychischen Gründen. Aber anscheinend hatten ihm die
Heimlichkeiten doch besser getan, als so ganz ohne Beziehung zu leben.
Anneliese dagegen schien das gar nichts auszumachen. Sie hatte mit viel Elan
ihr Eheleben wiederbelebt und plante zu allem Überfluss ein drittes Kind.
    Â»Hey, Anneliese«, hatte ich damals besorgt eingewandt, »denk doch
mal mit.«
    Sie hatte mich mit verklärtem Blick angesehen. So konnte man nur
aussehen, wenn man gerade einen abnormen Hormonschub hatte, in Gedanken nur bei
Babys war und eben nicht mehr mitdachte.
    Â»Die anderen sind nicht von deinem Mann. Das fällt doch sofort auf«,
hatte ich mich erklärt, da sie überhaupt nicht reagierte.
    Â»Ach, Unsinn. Jedes Kind ist anders«, hatte sie sehr gefühlsbetont
behauptet.
    Â»Schmarrn!« Ich hätte sie am liebsten geschüttelt. »Das sieht dann
ein Blinder. Echt.«
    Aber jedes Mal, wenn wir uns trafen, erzählte sie mir unangenehme
Details aus ihrem Liebesleben. Das nannte sie dann wahlweise »Kuscheln« oder
»Herzln«. Ich bekam von so viel sentimentalem Geheule nur Sodbrennen und
hoffte, dass sie bald schwanger war, damit ich keine weiteren Sexualberichte
ertragen musste.
    Wenn Anneliese in ihren Beichtgesprächen auch auf diese Details
einging und genauso penetrant wie mir die letzten Details ihres Liebeslebens
erzählte, dann konnte ich mir bestens vorstellen, wie es dem Pfarrer ging.
Ehrlich wahr. Man konnte einem Pfarrer auch nicht alles zumuten. Jetzt, wo er
schon beziehungsgeschädigt war.
    Â»Erst der Mesner«, sagte die Rosl, die von der ganzen
Sexualproblematik nichts wusste, »dann der Organist. Und
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