Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
Vom Netzwerk:
umbringen, um
seinen beruflichen Werdegang zu unterbrechen.
    Max sah mich jetzt an, als würde er gleich noch viel schlimmere
Dinge mit mir anstellen, die man unmöglich vor der Kirche tun konnte.
    Â»Vielleicht solltest du trotzdem nachfragen«, schlug ich noch eine
Spur liebenswürdiger vor.
    Â»Die Kiste«, erinnerte er mich. »Rosl hat gesagt, du hättest an der
einen Seite gezerrt und deine Großmutter an der anderen.« Seine Finger spielten
mit einer Haarsträhne hinter meinem Ohr.
    Â»Und deine Großmutter hat gesagt«, fuhr er fort, »sie wollte sehen,
was in der Kiste war. Und du wolltest die Kiste wieder hinter die
Erntedankkrone schieben. Und daraufhin …«
    Er sah mich mit einem etwas spöttischen Lächeln an.
    Â»â€¦Â daraufhin sei ein kleiner Streit entbrannt.«
    Ich nickte mit einem huldvollen Lächeln. Großmutter wieder. Sie
vergaß regelmäßig, dass sie kochen wollte. Dann stand das halb gare oder
verkohlte Zeug auf dem Herd und gammelte vor sich hin. Aber wenn es um Knochen
in Kisten ging, da konnte sie sich wieder jedes Detail merken und hatte noch
nicht einmal Hemmungen, alles weiterzuerzählen. Wahrscheinlich hatte sie
vergessen, dass Max ein Polizist war. Und dass wir uns gerne davor hüteten,
Polizisten etwas zu erzählen.
    Â»Stell dir vor«, sagte ich dann. »Ich wusste, was in der Kiste ist.«
    Er hob die Augenbrauen. Oje. Wie ich jetzt noch die Kurve kriegen
würde, wusste ich noch nicht. Ich runzelte die Stirn und sah ihn streng an. In
seinen Augen war ein belustigtes Strahlen, das mich ganz wütend machte.
    Â»Und?«, fragte er erneut.
    Â»Und ich wollte nicht, dass sich Großmutter erschrickt.«
    Seine Augenbrauen verharrten erstaunt in ihrer Stellung. Er
schüttelte vielsagend den Kopf.
    Â»Du weißt doch. Wenn sie Leichen findet, wird sie immer etwas
komisch.«
    Allein schon die Tatsache, dass der Schorsch sie trotz ihrem großen
Protest mit dem Polizeiwagen mitgenommen hatte, nur damit es schneller ging.
Ich wollte gar nicht wissen, was mir Großmutter zu Hause wieder alles erzählen
würde. Wie ein Verbrecher in einem Polizeiwagen herumgefahren zu werden, wo man
doch nur geputzt hat! Und dass bestimmt das halbe Dorf geschaut hatte, wer denn
da beim Schorsch im Wagen hockt, und was die Wild angestellt hat, dass der
Schorsch sie »einbuchten« musste. Das reichte ihr wahrscheinlich schon, um aus
lauter Empörung die Tabletten nicht zu nehmen.
    Max seufzte. Nun gut. Großmutter war eigentlich immer seltsam, egal,
ob sie Leichen fand oder nicht. Oder die Kathl sie im Polizeiwagen fahren sah.
Ich fand meine Argumentation trotzdem ausgezeichnet und war sehr zufrieden mit
mir. Max kannte mich nur leider schon eine Weile und sah nicht so aus, als wäre
er mit meiner Aussage zufrieden.
    Â»Und danach hättest du sofort die Polizei angerufen?«, fragte er
misstrauisch nach.
    Â»Klar!« Ich sah ihm starr in die Augen. »Sofort. Mit dem Handy.«
    Das war jetzt sogar eine Doppelnotlüge. Denn ich hätte niemals
angerufen, und mit dem Handy schon dreimal nicht. Höchstens anonym von einer
Telefonzelle aus.
    Max sah mich an, wie man eine Person ansieht, die eben eine
Doppelnotlüge ausgesprochen hat. Aber noch immer wirkte er nicht, als würde das
seine Potenz irgendwie beeinträchtigen. Denn er beugte sich ganz langsam nach
vorne, um mich zu küssen.
    Kurz bevor sich unsere Lippen berührten, hörten wir die Sirene des
Polizeiwagens.
    Der Schorsch wieder, dachte ich genervt, als sich Max von mir
wegdrehte.

Kapitel 2
    Der Gottesdienst war nach dem Knochenfund bestens besucht. Die
Rosenkranztanten sahen alle sehr zufrieden aus und dachten sich wahrscheinlich,
wie vorteilhaft sich doch so ein paar Knochen auf die heilige Messe auswirkten.
Sogar die ganzen Ungläubigen saßen mit gläubigen Gesichtern und gut geputzten
Schuhen in den Kirchenbänken. Das schaffte man normalerweise nur, wenn es
hinterher Geschenke gab, wie zum Beispiel an Weihnachten.
    Der Pfarrer Daschner hingegen sah nicht zufrieden aus. Er wirkte
grau und alt, und seine Stimme klang schwach und kränklich. Vielleicht weil es
ihn störte, dass die Ungläubigen so gläubig taten. Seine Predigt hatte keinen
Bezug zur Kiste, was Großmutter mit ständigem Zungenschnalzen neben mir monierte.
    Â»Glaubst des auch«, sagte sie schon zum dritten Mal und schlug ihr
Gotteslob auf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher