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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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Kiste, als hätte sie noch ein paar
Kampfhundgene in sich. Wir waren so beschäftigt mit unserem Kampf um das Kistl,
dass wir gar nicht hörten, dass sich hinter Großmutter knarrend die Tür
öffnete.
    Â»Heiligemariamuttergottes«, sagte die Rosl mit grenzenlosem
Erstaunen in der Stimme und starrte uns sprachlos an.
    Meine Großmutter ließ die Kiste aus, ich fiel auf den Hintern, und
die Kiste öffnete sich. Mit großen Augen sah Großmutter auf mich herab, als ich
von einer Unzahl von Knochen übergossen wurde. Mit einem letzten Poltern fiel
ein menschlicher Schädel aus der Kiste und blieb direkt neben meinem Knie
liegen.
    Seit die Polizei die Kiste inspiziert hatte, war es um Rosls
Sprachlosigkeit leider wieder geschehen. In einem ging es dahin mit ihren
Gebeten und polizeilichen Aussagen.
    Â»Heiligemariamuttergottes, hab i mir denkt«, sagte sie eben zu Max.
Dazu muss man wissen, dass das nichts Neues war. »Heiligemariamuttergottes«,
dachte die Rosl bestimmt auch, wenn sie mitten in der Nacht aufwachte. Denn das
dachte sie ständig, da brauchte überhaupt niemand Knochen zu finden. Es reichte
im Prinzip schon, wenn man zu spät zum Gottesdienst kam oder sich beim Metzger
vordrängelte. Das Problem dabei war nur, dass die Polizei das nicht
berücksichtigte, weil sie keine Ahnung davon hatte, wie oft die Rosl
»Heiligemariamuttergottes« dachte oder sagte.
    Wobei sich Polizeihauptkommissar Max Sander gerade wahrscheinlich
gar nichts dachte, weil er die Hälfte von dem, was die Rosl von sich gab,
überhaupt nicht verstand. Das war nämlich der Nachteil, wenn man als richtiger
»Preiß« in Bayern mit Mordfällen betraut wurde. Die eigentlich Leidtragende war
aber ich, denn jeder war der Meinung, dass ich als angehende Journalistin einen
richtigen Vorteil davon haben musste, mit dem leitenden Ermittler ins Bett zu
gehen. Leider hatte Max sehr blöde Prinzipien und erzählte mir nie etwas
Wichtiges über Mordermittlungen.
    Â»Vielleicht sind die Knochen ja gar nicht von einem Menschen«,
schlug ich vor. »Könnte doch sein. Dass sie von einer Kuh sind.«
    Â»Schmarrn. Eine Kuh mit einem Menschenschädel«, sagte Großmutter und
schnalzte mit der Zunge. »Wo gibt’s denn so was?«
    Â»Wie der schon g’schaut hat«, hauchte die Rosl begeistert. Also, der
Totenkopf. Nämlich direkt mir ins Gesicht, so richtig fies, als wäre ich dran
schuld, dass er hier lag.
    Max sah mich auffordernd an, doch ich schwieg. Sollte doch unser
Polizist, der blöde Schorsch, übersetzen. Und was sich die blöde Rosl gerade in
ihrem missionarischen Eifer zusammenreimte, wollte ich auch gar nicht wissen.
Aber ich bezweifelte, dass sie durch irgendetwas davon abzuhalten war, der
Polizei ihre Meinung zu dem Kistl anzuvertrauen. Allerhöchstens eine
Marienerscheinung hätte sie kurzzeitig abgelenkt. Vielleicht nicht einmal die.
    Ich lehnte mich gegen das niedrige steinerne Mäuerchen und
versuchte, alles neben mir zu ignorieren. Vermutlich würde ich verdienterweise
eine Blasenentzündung bekommen. Allermindestens. Wenn nicht eine Nierenbeckenentzündung.
Aber Großmutter war so abgelenkt, dass sie mich nicht darauf hinwies. Denn sie
stand mit düsterer Miene neben der Rosl und warf mir hin und wieder einen
strafenden Blick zu. »Das haben wir jetzt davon«, sollte der heißen. »Weilst
halt nicht folgen wolltest.«
    Wenn ich nämlich gefolgt und ihr gleich die Knochen ausgehändigt
hätte, wie es großmütterliches Gesetz war, würden wir jetzt nicht mit der Rosl
in dem Schlamassel stecken.
    Ich warf ihr die gleichen strafenden Blicke zurück. Denn wenn sie
endlich einmal auf mich gehört hätte, steckten wir in
überhaupt keinem Schlamassel, weder mit der Rosl noch mit der Polizei, sondern
hätten schon längst die Kirche fertig geputzt, samt Beichtstühlen und Sakristei
und vielleicht sogar der Erntedankkrone. Nun gut. Für die Erntedankkrone wollte
ich nicht die Hand ins Feuer legen.
    Wir sahen etwas betrübt zu, wie der Schorsch mit den Männern von der
Spurensicherung in der Kirche verschwand.
    Â»Dass’ bei uns so zuagehn muas«, erklärte die Rosl resigniert. »I hab
allaweil g’sagt, tuats eich ned owe, des wird scho wieda … aber wenn s’ halt
allaweil wieda eine Leich findt, die Lisa.« Dabei blitzte sie mich böse an.
    Â»Owe?«,
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