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Ulysses Moore – Die Stadt im Eis

Ulysses Moore – Die Stadt im Eis

Titel: Ulysses Moore – Die Stadt im Eis
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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In einer Ecke des Verkaufs- und Gastraums waren kleine Tische und Stühle aufgestapelt. Eine fingerdicke, von den Abdrücken zahlloser Schuhe durchsetzte Schlammschicht bedeckte den Fußboden. Auf der Ladentheke standen Silbertabletts und Backbleche, auf denen nur noch Krümel lagen. In der Luft hing der Duft von Rosinen und Kuchen. Die Eingangstür war nur angelehnt und draußen war niemand zu sehen.
    In den Straßen und Gassen, die zu dem kleinen Hafen hinunterführten, befanden sich noch immer Trümmer und Geröll. Nirgendwo in Kilmore Cove brannte Licht. Die Straßenlaternen, die Fenster der Häuser, auch der sonst hell angestrahlte Kirchturm waren dunkel. Sogar der grelle Lichtstrahl des Leuchtturms vorn auf der Halbinsel fehlte. Im Schein des abnehmenden Mondes waren nur die hellen Schaumkronen der Wellen auf dem Meer zu erkennen.
    Eines der wenigen Geräusche, das man in dieser Finsternis wahrnehmen konnte, war das Knarzen, das immer noch von der Konditorei Chubber zu hören war.
    Dann ein lauter Schlag.
    Und noch einer.
    Beim dritten Schlag gegen die alte Holztür sprang sie auf. Tausende von Mücken flogen heraus, gefolgt von einem Schwall feuchtwarmer, stickiger Luft.
    Zuletzt kamen zwei Jungen zum Vorschein. Sie schwankten zur gegenüberliegenden Wand und lehnten sich erschöpft an sie.
    Ohne ein Wort zu sagen, stießen sie die Tür kurz da rauf mit einem Fußtritt zu und versuchten vergeblich, mit wedelnden Handbewegungen die Insekten zu verscheuchen.
    Einer der beiden hatte einen seltsamen, an einer Seite eingedrückten Helm auf dem Kopf, dessen Form an die einer Kokosnuss erinnerte. Er trug eine knielange Pumphose mit roten und gelben Längsstreifen, aber weder Strümpfe noch Schuhe. Seine Unterschenkel waren von Kratzern und Insektenstichen übersät und an seinen Füßen klebte Schlamm.
    »Sie fressen mich bei lebendigem Leibe auf!«, rief der andere und kratzte sich hektisch an Hals und Armen. Was er anhatte, konnte man nur noch als Lumpen bezeichnen: ein Hemd, eine Hose (oder was davon übrig geblieben war) und uralte Ledersandalen. »Das sind die schlimmsten Mücken, die ich jemals erlebt habe!«
    Der andere Junge nickte nur und lief los. Der in Fetzen gekleidete Junge folgte ihm.
    Am Ende des Flurs angelangt, schoben sie den schweren Vorhang beiseite, der den Flur vom Verkaufsraum trennte. Sie durchquerten ihn, und nachdem sie sich vergewissert hatten, dass auf der Straße niemand war, rannten sie nach draußen und schlugen die Richtung zum Strand ein.
    »Ich halte es nicht mehr aus!«, rief der Junge in Lumpen und riss sich diese im Laufen vom Leib. Bei besserem Licht hätte man auf seiner blassen Haut die vielen kleinen, geröteten Schwellungen erkennen können. Er kletterte über die Bretterstapel am Rande der Küstenstraße und rannte über den kalten Sand. Nur knapp wich er einem Sessel und einer quer stehenden Bank aus.
    Endlich stürzte er sich ins Meer.
    Der andere bewegte sich langsamer. Er nahm den verbeulten Helm ab, fuhr sich mit der Hand durch das rote Haar und ging gemächlich aufs Wasser zu. »Geht es dir jetzt besser?«, fragte er, als der andere wieder auftauchte.
    »Sie haben mich beinahe in den Wahnsinn getrieben!«
    »Im Urwald gibt es eben Insekten.«
    »Ja schon, aber …« Der Junge sah zu dem würfelförmigen, mit geschnitzten Schmuckbändern verzierten Gebäude der Konditorei Chubber hinüber. »Ich hätte nie gedacht, dass sie derartig ausgehungert sind. Sieh nur, wie viele Stiche ich habe!«
    Der Rothaarige gähnte. Während er darauf wartete, dass sein Freund aus dem Wasser kam, rieb er sich die müden Augen. »Können wir jetzt gehen?«, fragte er schließlich. »Ich bin so müde, dass ich gleich umfalle.«
    Der andere nickte. Er sammelte seine Lumpen auf, klopfte den Sand heraus und zog sie wieder an. Schweigend gingen die beiden Freunde die Hauptstraße hinauf.
    Plötzlich erklang ein Geräusch. Tlang! Es schien aus dem Inneren der Konditorei zu kommen.
    »Hast du das gehört?«, meinte der Rothaarige und blieb stehen.
    Der Schrei einer Möwe. Das leise Rauschen der Wellen.
    Ansonsten war alles still.
    »Was hätte ich hören sollen?«
    Der Rothaarige gab dem anderen Jungen ein Zeichen, stehen zu bleiben und auf ihn zu warten. Leise schlich er zum Schaufenster der Konditorei.
    Die Hauptstraße führte hinauf zum Zentrum von Kilmore Cove und dann weiter nach oben, bis zu dem verlassenen Bahnhof. Alle Fensterläden waren geschlossen, nur in den Fenstern der Tierklinik
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