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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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Einschränkungen zu machen, die Sicherheit nicht zu kompromittieren, all dies sind extrem schwere Aufgaben. Nahezu alle Techniker unterschätzen diesen Teil systematisch. Daher ist es auch kein Zufall, dass bisher nur in den seltensten Ausnahmen eine derartige Kombination gelang – und meines Wissens niemals ohne erhebliche Investition in die nicht-technischen Bereiche.
    Das Ergebnis ist also auch hier wieder letztlich eine Form der libertären Gesellschaft, in der Einzelne dem Offensivpotential der NSA oder vergleichbarer Organisationen anderer Länder im Wesentlichen ausgeliefert sind. Zumal dieser Macht nahezu keine rechtlichen Rahmenbedingungen gesetzt sind. Geheimdienstliche Tätigkeit läuft außerhalb des sonstigen rechtlichen Rahmens. Das ist auch in Deutschland so, wo Artikel 10 des Grundgesetzes eine entsprechende Ausnahme vorsieht. Und da die Geheimdienste eng vernetzt sind, werden bestimmte Tätigkeiten dort vorgenommen, wo dies möglich ist und dann im Rahmen von geheimdienstlicher Kooperation mit anderen Diensten ausgetauscht. Dabei dienen gesammelte Daten als »Pseudowährung«, mit der Zugang zu anderen Quellen oder Erkenntnissen erkauft wird.
    Aber vermutlich wird schon die reine Ökonomie diesen Schritt verhindern. Denn ohne Frage ist die Skalierung der Kosten im Rechenzentrum um Größenordnungen besser. Und auch die Frage der Betriebssicherheit ist nicht von der Hand zu weisen. Ein System ohne regelmäßige Wartung durch einen Administrator ist verwundbar. Spätestens bei der Vorstellung von hunderten von Millionen von Systemen ohne Administrator verteilt über die ganze Welt sollte man hellhörig werden. Es gibt also ein starkes Argument gegen Selbsthosting auf Seiten der Wirtschaft und der Sicherheit.
    Es gibt durchaus Versuche, diese Lücke zu schließen, sei es auf Ebene teilweise eher anarchisch gefärbter Kollektive, oder auch über Unternehmen, welche sich in diesem Bereich positionieren. Allerdings führt hier die richtige Motivation oft zu Ansätzen, welche sich als »Digitales Dumpster Diving« charakterisieren ließen. Das Dumpster Diving kann nur auf Basis einer Konsumgesellschaft existieren. Es produziert selber nichts. Ganz ähnlich werden hier von manchen Anbietern Technologien eingesetzt, zu denen nichts beigetragen wird. Das kannibalisiert damit potentiell diejenigen, die derartige Technologien entwickeln, bzw. übt Druck auf sie aus, die Technologie zu proprietarisieren. Die Nachhaltigkeit derartiger Ansätze beruht also ausschließlich auf der anhaltenden Offenheit Dritter.
    Leider gibt es hier nur wenige Ausnahmen und diese Fragen sind noch nicht ins Bewusstsein der Nutzer gelangt. Sie spielen daher keine Rolle in deren Kaufentscheidung. Das gilt auch für die globale Ausweitung des US-Rechts auf Nutzer weltweit durch Nutzung entsprechender Dienste. Und schließlich fokussiert sich die Debatte aktuell zu sehr auf die Internet-Giganten und die NSA, wodurch vielen anderen Fragen keine Aufmerksamkeit mehr zukommt. Die Nutzung der Geheimdienste, insbesondere zur Erlangung wirtschaftlicher und politischer Vorteile, ist in vielen Ländern verbreitet und nicht erst seit Edward Snowden die PRISM-Dokumente geleakt hat.
    Seit es das Internet gibt haben sich aber die Möglichkeiten dramatisch entwickelt, während die Politik sich mit der Regulierung eher schwer tat. Dies lag auch an den Vereinigten Staaten von Amerika selbst, welche kurioserweise teilweise mit Unterstützung der Netzgemeinde Versuche zur Regulierung erfolgreich abgewehrt haben. Die utopische Vision vor Augen wurde einer Nichteinmischung durch Regierungen der Vorzug gegeben. Mehr als einmal haben wir damals das Argument gehört, dass, wenn alle Länder erst einmal voll ans Internet angebunden wären, die Demokratie quasi automatisch folgen würde. Das muss man aus heutiger Sicht als Fehleinschätzung bewerten.
    Die Freie-Software-Gemeinschaft war schon damals zumindest insofern weiter als sie verstanden hatte, dass sich durch Software eine Machtfrage stellt. Die Konzentration dieser Macht in den Händen Einzelner ist ein gesellschaftliches Problem. Ein Zusammenhang, der u.a. durch die erwiesene Zusammenarbeit von proprietären Softwareunternehmen mit der NSA aufs Dramatischste bestätigt wurde. Der ehemalige Microsoftmitarbeiter Caspar Bowden erklärte im Europäischen Parlament, dass er der Software von Microsoft nicht mehr traut und nunmehr auf Freie Software setzt und empfiehlt sie für den Regierungseinsatz. Freie
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