Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
Vom Netzwerk:
kontrollierbaren Geheimdienste ihren Datenschatz auch zum Erhalt der eigenen Macht. Der »Staat im Staat« existiert nicht nur in der Türkei, die Dienste führen ein Eigenleben.
    Dabei kann eine Demokratie ohne Privatsphäre nicht funktionieren. Menschen brauchen einen »Kernbereich privater Lebensführung« zum Rückzug, zur Entwicklung und zur Reflexion. Stattdessen gibt es keine unbeobachtete Kommunikation mehr. Durch die Digitalisierung wird jede kleine Handlung von Computern verarbeitet – und damit von den Geheimdiensten abgeschnorchelt: Einkäufe, Reisen, Zahlungen, bald auch Zähneputzen und Autofahren. Und natürlich sämtliche Kommunikation und Interaktion. Das bedroht die Demokratie im Kern.
    Vor zehn Jahren wurde netzpolitik.org gestartet, unter anderem als Reaktion auf den Geheimdienst-Skandal der damaligen Zeit: das weltweite Spionagenetz Echelon. Alle unsere Befürchtungen wurden 2001 ganz offiziell vom Europaparlament bestätigt. Das war zwei Monate vor 9-11. Heute ist Echelon »ein Kinderspiel im Vergleich zur aktuellen Überwachung«.
    Wir wollen das nicht akzeptieren. Wir wollen den Kopf nicht in den Sand stecken und akzeptieren, dass wir mit dieser Überwachung leben müssen. Wie es unsere Regierungen wollen. Wir wollen unser Verhalten nicht umstellen, um damit umzugehen. Wir müssen die Überwachungsmaschinerie zurückdrängen und sehen Ansatzpunkte in einer Kombination aus technischen und politischen Mitteln.
    Wir wissen, dass es vielen so geht. Wir haben in den vergangenen Monaten eine Vielzahl an Autorinnen und Autoren eingeladen, ihre Sicht auf die durch Edward Snowden ausgelösten Entwicklungen zu reflektieren und zu überlegen, welche Schlüsse aus den enthüllten Fakten zu ziehen sind.
    Die Debatte darum darf nicht verstummen. Auf dem Spiel stehen Freiheit und Demokratie. Deswegen gibt es dieses Buch.
    – Markus Beckedahl und Andre Meister
    »Die gute Nachricht ist: Wir sind nicht paranoid.
Die schlechte Nachricht ist: Wir werden alle überwacht.
Jederzeit und überall.«

Politische und gesellschaftliche Auswirkungen

Snowdens Rede zum Whistleblower-Award
    Edward J. Snowden
    Auf der Verleihung des Whistleblower-Awards am 30.08.2013 in Berlin, hielt Jacob Appelbaum stellvertretend für den leider abwesenden Edward Snowden eine Dankesrede [1] . Mit freundlicher Unterstützung von Jacob Appelbaum können wir die Dankesrede von Edward Snowden abdrucken.
    Es ist eine große Ehre, dass mein Whistleblowing als Beitrag zum Allgemeinwohl wahrgenommen wird. Doch die größere Anerkennung und Aufmerksamkeit gebührt jenen Einzelpersonen und Organisationen in unzähligen Ländern auf der ganzen Welt, die sprachliche und geografische Grenzen gesprengt haben, um gemeinsam das öffentliche Recht auf Information und den Wert der Privatsphäre zu verteidigen.
    Es bin nicht nur ich, sondern die Allgemeinheit, die von dieser mächtigen Wandlung hin zu der Abschaffung unserer Grundrechte betroffen ist. Es bin nicht nur ich, sondern Zeitungen aus aller Welt, die Gründe haben, unsere Regierungen dafür verantwortlich zu machen, wenn mächtige öffentliche Vertreter versuchen, solche Themen durch Gerüchte und Anschuldigungen kleinzureden. Und es bin nicht nur ich, sondern ganz gewiss auch mutige Regierungsvertreter in der ganzen Welt, die neue Schutzmaßnahmen und Limitierungen vorschlagen, um zukünftige Angriffe auf unser aller Rechte und unser Privatleben zu verhindern.
    Ich danke all jenen, die sich an ihre Freunde und Familien gewandt haben, um ihnen zu erklären, warum sie anlasslose Überwachung etwas angeht. Sie trifft den Mann, der an einem heißen Tag eine Sturmmaske trägt, sie trifft die Frau mit einem Schild und einem Schirm im Regen, sie trifft den jungen Studenten, auf dessen Laptop sich Sticker zu Freiheitsrechten befinden und den Gymnasiasten, der sich in der letzten Reihe des Klassenraums Internet-Memes ausdenkt.
    All diese Menschen verstehen, dass eine Veränderung mit einer einzelnen Äußerung beginnt und sie haben der Welt eine Botschaft überbracht. Regierungen müssen sich uns gegenüber für ihre Entscheidungen rechtfertigen – denn es sind Entscheidungen über die Welt, in der wir alle leben. Die Entscheidungen über Rechte und Freiheiten von Menschen sind Sache der Allgemeinheit und dürfen nicht der Geheimhaltung durch Regierungen unterliegen.
    Diese Freude wird für mich jedoch von dem Bewusstsein überschattet, was uns heute hier zusammengebracht hat. Im Amerika der heutigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher