Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
schlechtesten ausmachen läßt. Sein Herz machte einen
Sprung. »Es geht los«, flüsterte er Svenson zu, und sie betraten vorsichtig die
Scheune.
    Fergy hatte schon geschlossen, und bei
dem Mann, der in Loretta Fescues ausrangiertem lila Wagen gekommen war,
handelte es sich sicher nicht um einen Kunden, sondern um einen Besucher. Es
war ein dünner junger Kerl mit schwarzem Haar, das ihm ungepflegt und speckig
über das hagere Gesicht und die hohen Wangenknochen fiel. Eine Rasur hätte ihm
sicherlich gutgetan. Ein paar seiner Zähne waren abgebrochen. Die Lippen, die
die Zähne freigaben, waren etwas zu fleischig und schlaff, allerdings momentan
zu einem leicht amüsierten Lächeln verzogen, vielleicht weil der junge Mann mit
der Rechten eine besonders große Bierdose zärtlich umfaßt hielt. Das war also
Fesky, aber wie würde es jetzt weitergehen?
    Fergy war momentan nicht zu sehen. Sein
Trinkkumpan wurde von Millicent Peavey unterhalten, die sofort zu reden aufhörte,
um Shandy mit Begeisterungsrufen zu begrüßen, und sich angemessen beeindruckt
zeigte, als sie Thorkjeld Svenson vorgestellt wurde. Dann nahm sie den Faden
ihrer Erzählung wieder auf.
    »Ist das nicht die verrückteste
Geschichte, die man je gehört hat? Oh, ich habe gerade Fesky eine unglaubliche
Sache erzählt. Können Sie sich vorstellen, Professor Shandy, daß hier jemand
hereinkommt und dieses kleine Dings aus den Porzellantürgriffen mitgehen läßt?
Fergy hätte ihm doch bestimmt das ganze Ding für nur einen Dollar verkauft, den
Griff und alles, was dazugehört, aber dieser komische Kerl mußte unbedingt
alles auseinanderschrauben und die Griffe hier auf dem Tisch liegenlassen und
sich bloß mit dem Dings aus dem Staub machen, das die Griffe zusammenhält.
Ehrlich, was halten Sie davon?«
    »Sind Sie sicher, daß da überhaupt was
war?« fragte Fesky langsam. »In dem Durcheinander hier kann man sich doch an
nichts Genaues mehr erinnern.«
    »Hören Sie mal, Mister, wenn Sie in
Ihrem Leben so oft als Kellnerin gearbeitet hätten wie ich, würden Ihnen auch
Einzelheiten auffallen. Lassen Sie mal einen Löffel auf dem Tisch herumliegen,
oder geben Sie mal jemandem ein Wasserglas mit einem Sprung drin, dann gibt es
Protestgeschrei vom Gast und einen eisigen Blick vom Chef und eine Extratour
hin und zurück, wobei einen die Hühneraugen fast bei jedem Schritt umbringen.
Wer hat schon so viel unnötige Aufregung gern? Also lernt man aufzupassen. Und
ich habe verflixt genau gesehen, daß hier sechs von diesen Türgriffen lagen,
weil ich sie neulich alle abgestaubt habe, müssen Sie wissen. Professor Shandy
hat gesehen, wie ich hier Staub gewischt habe, nicht wahr, Professor?«
    »Ich glaube, das habe ich tatsächlich,
jetzt, wo Sie es erwähnen. Und Sie sagen, einer ist verschwunden?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich sage,
daß alle Griffe da sind, aber bei einem fehlt das Mittelstück. Es gibt fünf
vollständige Griffe und einen, bei dem ein Stück fehlt. Sehen Sie doch selbst
nach, da liegen sie.«
    Shandy erkannte, daß Millicent etwas
beschwipst war, aber er hatte keine Veranlassung, daran zu zweifeln, daß sie
genau wußte, wovon sie sprach. Er ging zu dem Tisch, auf den sie zeigte, nahm
den Griff, der auf so geheimnisvolle Weise seines Mittelstücks beraubt worden
war, in die Hand, betrachtete ihn sekundenlang, nahm dann das kleine
Metallstück, das Roy nach der Explosion gefunden hatte, und schraubte den Knauf
auf das Gewinde. Wie er erwartet hatte, paßten die beiden Teile genau zusammen.
    Millicent Peavey schrie auf. »Heiliger
Petrus! Aber — ich habe gesehen, was Sie da getan haben, glauben Sie bloß
nicht, daß ich so was nicht merke. Sie haben das Dings gerade aus Ihrer Tasche
geholt. Sie sind ja ein richtiger kleiner Scherzbold! Versuchen einfach, die
liebe kleine Millie auf den Arm zu nehmen!«
    »Ich war es nicht, Mrs. Peavey. Ich
habe diesen Gegenstand von einer anderen, eh, Quelle erhalten, und eins können
Sie ruhig glauben, als Scherz war die ganze Angelegenheit bestimmt nicht
gedacht. Da würden Sie doch sicherlich zustimmen, nicht wahr, Mr. Fescue?«
    »Wer? Ich? Woher zum Teufel soll ich
das denn wissen?«
    Aber Fescues Hand verkrampfte sich so
sehr um die dünnwandige Bierdose, daß der Schaum aus der Öffnung spritzte und
sein dunkelblaues T-Shirt naß wurde. Thorkjeld Svenson stellte sich etwas
dichter hinter ihn, und die Hand, die die Bierdose festhielt, begann zu
zittern. Fesky versuchte zu zeigen, wie gelassen er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher